Autorin
Sabine Ibing
Janet Clark ist in München geboren. Nach ihrem Studium
arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin,
Universitätsdozentin und Marketingchefin in Belgien, England
und Deutschland. Seit 2010 ist sie als Schriftstellerin
hauptberuflich tätig. 2011 wurde ihr erster Roman veröffentlicht.
Seitdem erschienen 4 weitere Romane und eine vierteilige Serie.
Neben dem Schreiben setzt sich Janet Clark als Präsidentin der
»Mörderischen Schwestern e.V.« für die Rechte von Autorinnen
ein.
www.janet-clark.de
S. I.: Du sagst, deine Geschichten entstehen durch Inspiration
wahrer Begebenheiten, die dich berühren oder schockieren.
Was war der Auslöser für “Black Memory”? Das Buch hat
übrigens unsere gesamte Familie begeistert.
J. C.: Da kamen mehrere Dinge zusammen. Zum einen hörte ich
eine Meldung. Auf einem Rastplatz wurde ein Auto mit 5 Leichen
aufgefunden. Eine komplette Familie. Ausgelöscht. Einfach
unvorstellbar. Das hat mich nicht mehr losgelassen und ist in die
Geschichte eingeflossen. Dazu kam meine Recherche zur
Zellerinnerung. Auslöser dafür war ein mir unerklärliches
Erlebnis während meiner letzten Schwangerschaft. Dabei
stolperte ich über viele hochspannende wissenschaftliche
Denkansätze zum Thema Erinnerung, die mich so sehr
faszinierten, dass Erinnerung und Manipulation von Erinnerung
schließlich zu einem zentralen Thema des Buches wurde.
S. I.: Mir hat an dem Buch gefallen, dass der Leser in die Sicht
der Hauptprotagonistin schlüpft, deren Gedächtnis
verlorengegangen ist, man nur das erfährt, was sie
herausbekommt, die in einem Geflecht von Lügen umgeben ist.
Gab es ein Vorbild für einen solchen Plot?
J. C.: Nein. Bücher, an deren Anfang der/die Protagonist/in ihre
Erinnerung verloren haben, gibt es viele. Aber ich kenne keines,
bei dem der Erinnerungsverlust eine Variation des
Grundthemas ist. Clares Leben dreht sich im wissenschaftlichen
Bereich um Erinnerung, und nun verliert sie ihre eigene.
Zusammen mit der im „ich“ erzählten Heldin spürt der Leser, wie
haltlos ein Mensch ist, wenn die autobiographische Erinnerung,
und damit das Koordinatensystem fehlt, an dem man sich
orientiert, um Entscheidungen zu fällen.
S. I.: Dein neuer Jugendroman “Ewig Dein” handelt von der
Jugendliebe. Das Buch spielt in den USA: Josies Freund Ray bringt
sie in Berührung mit den alten Mythen seines Stammes. Du bist
seit Kindes Beinen ein Fan der alten Kulturen. Was bedeuten für
dich Kulturvölker und ihre Mythen?
J. C.: Kulturvölker und ihre Mythen faszinieren mich, denn
durch die große Verbundenheit zur Natur und zur
Ursprünglichkeit steckt in ihren Mythen und Legenden viel
Wahres und Grundsätzliches, das uns in unserer
technikgeprägten und zukunftsorientierten Welt
abhandengekommen ist. Durch unsere moderne, schnelllebige
Lebensweise vergessen wir oft, dass wir Menschen ein sehr
komplexes „Naturprodukt“ sind, das stark in Abhängigkeit von
der Natur lebt.
S. I.: Kannst du dir vorstellen, einen Roman über das »alte«
Amerika zu schreiben, eine Indianergeschichte oder eine
Siedlerstory?
J. C.: Absolut. Aber nicht in der Art, wie wir sie schon kennen. Es
bräuchte einen anderen Blickpunkt oder Aufhänger.
S. I.: Der Roman ist ein sogenanntes All-Age-Buch, für alle
Alltagsgruppen geeignet. »Harry Potter«, »Twilight« und »Die
Tribute von Panem« gehören dazu. Dieser Trend nimmt
inzwischen einen riesigen Marktanteil ein, da die Bücher oft ab 12
Jahren angesiedelt sind. Die deutschsprachigen
Kinderbuchautoren bekommen das Fürchten, glauben, ihre
reinen Jugendbücher kaum noch unterbringen zu können. Was
ist an der Aussage dran?
J. C.: Also zunächst müssen wir hier zwischen
KinderbuchautorInnen und JugendbuchautorInnen abgrenzen.
Kinderbücher sind selten All Age und im Kinderbuch sind
deutsche AutorInnen sehr gut aufgestellt. Die ersten Harry
Potter Bände sind noch Kinderbücher, die weiteren Bände sowie
Bücher wie „Panem“ oder „Twillight“ oder „Das Schicksal ist ein
mieser Verräter“ etc. sind Jugendbücher. Aber ich verstehe die
Argumentation nicht – All Age heißt ja, dass die Bücher von
Jugendlichen UND Erwachsenen gelesen werden, d.h. die
Leserschaft vergrößert sich. Tatsächlich jedoch haben deutsche
JugendbuchautorInnen wirklich ein Problem. Nicht weil es All Age
Bücher gibt, sondern weil Jugendliche vorwiegend aus dem
Amerikanischen übersetzte Bücher lesen. Ich habe kurz einen
Blick auf die Bestsellerlisten geworfen: Deutsches Kinderbuch:
Platz 1-10 alles deutsche AutorInnen, wobei einige Bücher durch
Film/Fernsehen sehr bekannt sind. Jugendbuch: 2 deutsche
Autorinnen, eines der Bücher ist ebenfalls durch eine
Verfilmung sehr präsent. Genau dieses Bild wird mir auch auf
meinen Schullesungen vermittelt: Wenn ich frage, was für
Bücher die SchülerInnen gerne lesen, werden zu geschätzt 90%
englische oder amerikanische AutorInnen genannt. Und in den
Rezensionen zu meinen Büchern lese ich immer wieder, wie
überrascht die Leserin von dem Buch war, weil es, obwohl von
einer deutschen Autorin, richtig gut sei. Hier müssen wir uns die
Frage stellen, warum deutsche Jugendliche so denken. Aber das
würde die Antwort im Rahmen diese Interviews sprengen ...
S. I.: Ich behaupte mal, Altersangaben und Geschlecht sind für
den Buchhandel in der Realität irrelevant. Menschen sind
verschieden, wie die Bücher. Leseerfahrung, Interesse,
Stimmung und Bildung kann man nicht verschachteln. Muss man
Bücher bis ins Detail determinieren, Genreübergriffe als
»unzulässig« ausweisen, da mit sie gut ins Regal passen?
J. C.: Altersangaben sind wichtig, denn es gibt Inhalte, die sind
für junge Leser nicht geeignet, sei es aufgrund der Thematik,
der Brutalität oder auch der Sprache. Andersherum werden
ältere Leser von Büchern, die für junge Leser geschrieben sind,
nur unter bestimmten Bedingungen abgeholt. Was die
Eingliederung in bestimmte Genre betrifft, ist es für den Leser
durchaus hilfreich, wenn er sich bis zu einem bestimmten Grad
an einer Determinierung orientieren kann, um zielgerichtet ein
Buch zu finden, das der jeweiligen Lesevorliebe am nächsten
kommt. Das soll aber nicht bedeuten, dass Bücher, die einen
Genremix bedienen, vom Buchhandel abgelehnt werden. „Ewig
Dein – Deathline“ ist ein Genremix und wurde vom Buchhandel
gut angenommen.
S. I.: Bei den All-Age-Büchern werden viele Titel aus anderen
Ländern übernommen. Das gräbt den deutschen Autoren noch
mehr den Markt ab. Ein Trend der in allen Genren um sich greift.
Machen es sich die Verlage zu einfach?
J. C.: Dieses Problem habe ich oben bereits angesprochen. Ich
kenne nicht die Zahlen für alle Genre, aber für das Jugendbuch
und den Thriller/Krimi (Regionalkrimi ausgenommen) kann ich
das bestätigen. In beiden Genres wurden über Jahre hinweg
vorwiegend auf Lizenzen gesetzt, hier herrscht eine klare
Schieflage, die sich durch den Strukturwandel des Buchmarkts
noch verschärft.
Um hier eine Kehrtwendung einzuläuten, müssten deutsche
AutorInnen sukzessive und über Jahre hinweg aufgebaut
werden.
S. I.: Eine private Frage, erkläre mir bitte dein
Karteikartensystem beim Plotaufbau. Was notierst du und
warum Karteikarten?
J. C.: Ich notiere jede Szene auf einer eigenen Karteikarte und
markiere darauf die Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Plotstrang
und Dramaturgiepunkt. Auf Karteikarten deshalb, weil ich diese
danach auslegen kann und so auf einen Blick sehe, wo was zu
viel, bzw. zu wenig ist, und ob die einzelnen Akte von der Länge
her passen.
S. I.: Dein Mann sagte damals, als du mit dem Schreiben
angefangen hast: «Lieber jetzt scheitern, als ein Leben lang
einem Traum nachhängen«. Er hat dich unterstützt, Romane zu
schreiben. Schriftstellerei, Kinder, Vollzeitjob, das funktioniert
nicht. Du bist auf halbtags umgestiegen, nun hauptberuflich
Schriftstellerin. Wieviel Bücher musstest du auf den Markt
bringen, damit du sagen konntest: Jetzt kann ich davon leben?
J. C.: Das ging relativ schnell, da meine Bücher in Auktionen
gelandet sind und meine Agenten dadurch Vorschüsse erzielen
konnten, die mir ermöglicht haben, mich voll auf das Schreiben
konzentrieren zu können.
S. I.: Wie schwierig ist es heutzutage, vom Schreiben leben zu
können? Und warum ist es heute wesentlich schwerer als wie vor
20, vor 10 Jahren?
J. C.: Ich weiß nicht, wie schwer es vor 10 oder 20 Jahren war, da
ich erst 2010 in den Buchmarkt eingetreten bin. Aber: durch die
Selfpublisher und E-only Verlage hat sich die Situation stark
verändert. Die Konkurrenz ist viel größer, die Sichtbarkeit viel
geringer und der Preis, den Leser für Bücher, insbesondere E-
Books zu zahlen gewillt sind, sinkt dramatisch. Gleichzeitig wird
von deutschen VerlagsautorInnen häufig erwartet, dass man
sich über Social Media bereits selbst vermarktet. Viele
Selfpublisher haben das sehr erfolgreich getan, allerdings mit
Dumpingpreisen, die ich als Verlagsautorin nicht bieten kann. Ich
baue gern Nähe zum Leser auf. Das ist jedoch eine zeitintensive
Angelegenheit. Und diese Zeit fehlt mir dann beim Schreiben.
Oder bei meinem ehrenamtlichen Engagement. Grundsätzlich
zeichnet sich derzeit ein Auseinanderdriften der
Verlagsautoren im Genrebereich ab, anders ausgedrückt öffnet
sich die Schere zwischen den Topbestsellerautoren und der
Midlist immer weiter.
S. I.: Du bist Präsidentin der »Mörderischen Schwestern e.V.«
und Buchmarktaktivistin, viel mit Nina George unterwegs, um für
die Rechte von Schriftstellern zu kämpfen. Erzähle uns davon,
und was dich dazu treibt, dich ehrenamtlich zu engagieren.
J. C.: Ich habe mich schon mein ganzes Leben für andere
Menschen eingesetzt. Das ist Teil meiner Persönlichkeit. Bei den
Mörderischen Schwestern engagiere ich mich, weil ich es enorm
wichtig finde, dass die von Frauen verfasste, deutschsprachige
Spannungsliteratur mehr Anerkennung und Sichtbarkeit
bekommt. Gerade der Krimi/Thriller ist ein wichtiges Medium, um
Schieflagen in einer Gesellschaft zu beleuchten. Das muss
sowohl aus der Sicht von Frauen, als auch aus der Sicht von
Männern geschehen. Es gibt viele hervorragende AutorInnen in
dem Genre, sie finden nur kaum Beachtung bei Preisen und
Empfehlungen. Und für Autorenrechte kämpfe ich, weil es in
einem Markt, der sich in einer Umstrukturierungsphase befindet
sehr wichtig ist, dass die AutorInnen eine Stimme haben, die
gehört und ernst genommen wird.
S. I.: Vielen Dank, liebe Janet, für die Beantwortung meiner
Fragen
Rezension Black Memory
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Interview mit
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(von Sabine Ibing)