© Sabine Ibing, Lorib GmbH         Literaturblog Sabine Ibing
Autorin Sabine Ibing
Interview mit Dieter Paul Rudolph (von Sabine Ibing) »Nein, ich schreibe nicht nur Kriminalromane... Ich schreibe auch über Krimis und über Musik und übers Program-mieren... aber Krimis am liebsten«. So stellst du dich vor. Damit ist alles gesagt. Germanistik hast du studiert, und du lektorierst Bücher. Man nennt dich DPR. http://dritterraum.info … wenn ich noch ergänzen darf: Ich habe auch vergessene alte Krimis, Krimijahrbücher und -kalender herausgegeben und mich in einem unbedachten Moment breitschlagen lassen, das Projekt der „Fantasygirls“ ins Leben zu rufen, wo ich talentierten Nachwuchs betreue und ihm zu ersten Buchveröffentlichungen verhelfe. Ich bin auf meine alten Tage also auch noch zu einer Mischung aus Kindermädchen und Verleger geworden. www.facebook.com/Fantasygirls-252893774882433 Kritiker, Kolumnist und Herausgeber, Lektor, du gehst kritisch an andere Bücher heran, als Lektor helfend, als Kritiker auf der Krimicouch bewertend. Mich würde interessieren, wer lektoriert deine Texte? Hat man es schwer mit dir? DPR: Bei Verlagstexten ist das kein Problem, da macht es die dafür zuständige Lektorin (seltsamerweise habe ich immer weibliche Vertreterinnen dieses Berufsstandes …). Bei Selfpublishing-Texten verlasse ich mich auf den bewährten Rat von Kolleginnen und Kollegen. Schwer hat man es mit mir eigentlich nicht …. wenn man etwas begründen kann. Und im Endeffekt entscheide ich sowieso selbst, was ich ändere oder nicht. Das ist Recht und Pflicht des Autors. Schreibratgeber helfen nicht jedem, meintest du kürzlich. Hilft es einem weiter, wenn man deinen liest? DPR: „Die Schule der fantastischen Mädchen“ ist für die Teilnehmerinnen meines Projekts „Fantasygirls“, also 14-21jährige Mädchen geschrieben worden, generell für Autorinnen und Autoren, die am Anfang ihres Weges stehen. Ich sporne sie darin an, sich keinen Regeln zu unterwerfen, sondern das Wesen von Literatur zu verinnerlichen. Und das lautet eben NICHT „keine Adjektive“, „keine Füllworter“ etc. Viel wichtiger ist etwa die Erkenntnis, dass es einen Unterschied macht, ob man für sich selbst oder für Leser schreibt. Oder dass die Dinge, die man NICHT schreibt, wichtiger sind als die, die man schreibt. Ob man ein guter oder schlechter Autor ist, hängt nicht vom Inhalt ab, sondern von der Sprache. Daneben gibt es Tipps zur Dramaturgie und noch eine ganze Menge anderer hoffentlich hilfreicher Themen. Im Übrigen könnte ich mir vorstellen, einmal einen „Anti- Schreibratgeber“ zu schreiben ... Liest du jedes Buch zu Ende? Wenn nein, wie viele Seiten gibst du einem Buch, bis du es weglegst? DPR: Sehr unterschiedlich. Normalerweise weiß ich nach drei oder vier Sätzen, ob ich ein Buch lesen möchte oder nicht. Wenn mich die Sprache anödet, lasse ich es, wenn ich gleich über sechs oder acht Worthülsen stolpere, sowieso. Aber manchmal breche ich Bücher auch erst kurz vor Schluss ab, wenn ich einfach nur noch weiterlese, ohne mich wirklich für den Inhalt zu interessieren. Wie gehst du als Kritiker selbst als Autor eigentlich mit Kritik um? Bekommst du auch mal dein Fett ab mit schlechten Bewertungen? DPR: Oh ja … Ich habe 2005 mit einem der ersten deutschsprachigen Krimiblogs begonnen, sehr viel gelobt und manchmal auch hart kritisiert. Das hatte u.a. zur Folge, dass meine eigenen Ergüsse seitdem von „Quälgeistern“ (so hat es eine Leserin mal genannt) verfolgt wurden, vor allem auf der „Krimicouch“. Generell fällt es mir wie jedem anderen schwer, negative Kritik zu verdauen, aber ich gebe mir Mühe. Wer für andere schreibt, macht sich angreifbar. Das muss man aushalten oder mit dem Schreiben aufhören. Ein Lektorat ist eine Vertrauenssache zwischen dem Schriftsteller dem und Lektor. Die Chemie muss passen. Was ist das größte Problem bei Krimi- und Thrillerautoren? DPR: Die Zusammenarbeit von Autor und Lektor beruht auf gegenseitiger Wertschätzung. Wir versuchen gemeinsam, einen guten Roman noch besser zu machen – im Idealfall. Bei Krimis, die ja historisch gesehen eher „Kolportage“ sind, erlebe ich des Öfteren so eine Art Minderwertigkeitskomplex der Verfasser. Man schreibt halt „nur“ Krimis und keine „richtige Literatur“. Das hat zur Folge, dass sich ein merkwürdiges Subgenre etabliert hat, der „literarische Krimi“. Man möchte eben „mit Anspruch“ schreiben und möglichst literarisch wertvoll … Ich versuche dann zu erklären, dass dieses Etikett „literarischer Krimi“ aus der Sicht des Literaturwissenschaftlers völliger Blödsinn ist, denn JEDER Krimi ist per se ein literarisches Werk. Und dann versuche ich, den „literarischen Krimi“ zu entschwurbeln, ihm alles Aufgesetzte zu nehmen, damit er das wird, was er sein sollte: ein gut geschriebener, spannender Krimi. Das ist allemal besser als ein misslungenes Werk der sogenannten Hochliteratur. Der erste Satz, die erste Seite, ein viel diskutiertes Thema. Der Leser muss in das Buch hineingesogen werden, die Kartoffeln anbrennen lassen. Das gilt insbesondere für Crime. Gibt es dafür ein Rezept? DPR: Wenn es in der Literatur Rezepte gäbe, hieße sie Kochkunst … Aber es ist so gut wie nie der Inhalt, der mich in einen Text hineinsaugt, sondern die Sprache.  Ich möchte einen Sound wahrnehmen, eine gewisse Spannung spüren. Dabei interessiert es mich nicht die Bohne, ob gerade ein Mord geschildert oder eine Landschaft beschrieben wird. Schön sind auch ungewöhnliche Perspektiven oder ein gewisser lakonischer Stil. Auf jeden Fall: Das Einzige, das einen in den Text hineinspülen kann, ist der Sprachfluss. Daran kann und muss man arbeiten. Bei meinem letzten Roman habe ich Monate gebraucht, um diesen „Sound“ zu finden. Da sind viele Seiten den traurigen Weg in den elektronischen Papierkorb gegangen. Als ich ihn endlich gefunden hatte, hat sich die Geschichte wie von selbst erzählt. Liest du Bücher, die mit Prologen anfangen? DPR: Wenn es sich um richtige und notwendige Prologe handelt – natürlich. Ein Prolog dient dem Zweck, etwas Grundsätzliches vorab klarzustellen. Wie etwa in Goethes „Faust“. Man kann auch darin Ereignisse unterbringen, die vor der eigentlichen Erzählzeit angesiedelt sind. Im Moment habe ich das Gefühl, ein Prolog soll nur dazu dienen, möglichst „spannend“ in einen Text zu starten. Für mich bedeutet das: Da misstraut ein Autor seinen Qualitäten. Hast du als Lektor schon einmal einen Autor abgelehnt, wenn ja warum? Hast du schon mal jemandem direkt gesagt, dass zwar jeder schreiben darf, aber bitte nicht jeder veröffentlichen sollte? DPR: Letzteres verbietet mir in dieser Direktheit meine gute Erziehung … Aber ja, ich habe schon mehrere Autorinnen und Autoren abgelehnt. Einerseits, weil sie nicht wussten, was Literatur ist. Nämlich nicht einfach das Aufschreiben von „Geschichten“, sondern das ERZÄHLEN. Mit Deutschaufsätzen hat das nichts zu tun. Man muss kreativ mit Sprache umgehen, einen bestimmten Rhythmus oder „Sound“ entwickeln können. Andererseits halten einige Autoren den Lektor für eine Art Dudenersatz und können es nicht ausstehen, wenn z.B. inhaltliche oder sprachliche Schwächen moniert werden. Aber das genau ist die Arbeit des Lektors. Er ist eine objektive kritische Instanz, aber nicht das Maß aller Dinge. Wenn ich einen Text zehn Lektoren vorlege, erhalte ich zehn völlig unterschiedliche Ergebnisse zurück. Das ist nun mal so. Wie siehst du die Entwicklung am Buchmarkt? Werden die Inhalte der Bücher flacher? Und was liest du? Hast du eine Empfehlung für uns unter den Neuerscheinungen? DPR: Der Buchmarkt entwickelt sich momentan so rasant wie wohl noch nie in seiner Geschichte. Das hat weniger mit Inhalten als viel mehr mit den neuen technischen Möglichkeiten zu tun. Ein Buch veröffentlichen, das kann heutzutage jeder. Was Vor- und Nachteile hat. Vorteil: Ungewöhnliche, sprich unverkäufliche Texte werden publiziert. Nachteil: ALLES wird publiziert. Statistisch könnte man sagen: Ja, insgesamt gibt es heute mehr Mist als früher. Das ist der Preis für die neue schriftstellerische Freiheit. Was ich so lese? Oh je … Alles, was mir gefällt. Alte vergessene Krimis (von denen ich auch ein paar herausgegeben habe), gutgemachten Schund (ja, den gibt es) und höchste Hochliteratur (Jean Paul, Vladimir Nabokov, Arno Schmidt, um meine Top 3 zu nennen). Und immer wieder gerne die absurd- genialen Stories von Guido Rohm und die schönen Laid-back-Krimis von Peter J. Kraus. Geheimtipps … Empfehlen möchte ich ein Buch, an dem ich selbst als Lektor ein bisschen beteiligt war, man verzeihe mir das. „Albleben“ von Kristina Brahm ist ein Krimierstling und sehr ambitioniert. Am Anfang war ich skeptisch, aber Kristina hat es wunderbar geschafft, ein schwieriges Thema (die Gedankenwelt einer psychisch kranken Frau) sehr authentisch und sprachlich hervorragend in eine spannende Krimistory einzubetten. Wann erscheint dein neues Buch und was kannst du uns darüber verraten? Gibt es Lesetouren in der nächsten Zeit? Wo finden wir die Termine? DPR: Oh, mein nächstes Buch wird eine Premiere. Ich wage mich erstmals an  „Fantasy“. Da ich aber völlig untalentiert darin bin, „genrerein“ zu schreiben, ist es zugleich ein realistischer Tatsachenbericht, eine völlig abgefahrene Story mit bösartigen Einhörnern, Hexen und Moorleichen, aber vor allem: ein Buch über das Schreiben und Lesen. Es heißt „Die Einhornarmee“, meine „Fantasygirls“ spielen eine tragende Rolle und der Untertitel lautet: „Ein wirklich phantastischer, ungewöhnlich alltäglicher, spannend mordloser, ernsthaft lustiger Schreib- und Leseroman“. Womit eigentlich schon alles gesagt wäre … Der Roman soll um den 20. November 2015 erscheinen, ca. 320 Seiten haben und, aber hallo, ich nehme auch Vorbestellungen an. Lesetermine gibt es noch nicht, ich halte euch aber auf dem Laufenden. Ich danke dir, dass du dir Zeit genommen hast, meine Fragen zu beantworten. DPR: Gerne. Und du willst wirklich nicht wissen, welches meine Lieblingsfarbe ist? Shit! Und ich vergaß zwei weitere wichtige Fragen: Sekt oder Selters und Austern oder Bratwurst! Ich muss nochmal wiederkommen. Zu den anderen Interviews