© Sabine Ibing, Lorib GmbH         Literaturblog Sabine Ibing
Autorin Sabine Ibing
Interview mit Dr. Manfred Lukaschewslki (von Sabine Ibing) Manfred, du bist ein Sachbuchautor und Pensionär, ehemals als Diplomkriminalist tätig. Zuerst hast du Physik studiert. Hast du diese Kenntnisse in deinem Beruf benötigt? Manfred: Es war während meines Physik-Studiums nicht meine vordergründige Absicht, bei der Kriminalpolizei zu arbeiten. Es war vielmehr umgekehrt. Die Polizei suchte für die kriminaltechnische Arbeit Spezialisten, unter anderem Physiker. Nach einigen Gesprächen war dann für mich klar, dass es ein höchst interessanter Beruf ist und ich begann meine Tätigkeit als Ballistiker. In der Ballistik, das ist die Lehre von bewegten (geworfenen oder geschossenen) Körpern, sind physikalische Kenntnisse eine Grundvoraussetzung, um z.B. berechnen zu können, von welchem Punkt ein Schuss abgegeben wurde. An dieser Stelle muss dann die Spurensicherung aktiv werden. Ich hatte dann später das Glück, an der Humboldt-Uni zu Berlin nochmal zu studieren und habe im Anschluss an das Studium wieder in einer Morduntersuchungskommission gearbeitet. Mitte der 80-iger Jahre wurde ich Leiter einer Morduntersuchungskommission. Gestatte mir noch einen Nachsatz. Ich bin zwar nicht mehr in meinem Beruf tätig, aber immer noch im Berufsleben verankert. Ich arbeite in einem Seniorendomizil in der Leitung und bin dort im Sicherheits- und Qualitätsmanagement tätig. Es gibt es eine interessante Facebook-Seite von dir. Sehr interessant für Krimi / Thriller-Autoren. Warnung an zartbeseitete Menschen, die FB-Seite könnte Übelkeit erregen! Sind die Fotos aus deinem Privatfundus? https://www.facebook.com/Dr-Manfred-Lukaschewski-1550886631807850/ Manfred: Nein, die Fotos stammen ausschließlich aus dem Fundus des Gerichtsmedizinischen Instituts der Universität Halle/Saale. Dieses Institut wird von Prof. Dr. Rüdiger Lessig geleitet, einem guten Bekannten aus gemeinsamer Tätigkeit. Dessen ungeachtet habe ich in meiner über 20-jährigen Tätigkeit in der MUK unzählige derartiger Fotos machen müssen. Du hast zwei tolle Bücher geschrieben: »Kompendium der Kriminalistik I + II«, sehr interessante Bücher zur Polizeiarbeit. Empfehlenswert für Autoren. Manfred: Danke für das Kompliment. Die eigentliche Zielgruppe sind gar nicht die Autoren (es wäre lobenswert würden diese auch mal nachblättern, denn sowohl bei der schreibenden Zunft als auch bei den Filmschaffenden wird häufig grob daneben geschossen), sondern die zukünftigen Kriminalbeamten. Die akademische Ausbildung zum Diplom-Kriminalisten wurde in Deutschland 1994 eingestellt und die fachliche Ausbildung der Kriminalisten lässt qualitativ seit diesem Zeitpunkt zu wünschen übrig. Mein Antrieb, diese Bücher zu schreiben, lag darin begründet, der Studentenschaft an den Fachhochschulen der Polizei ein Material in die Hand zu geben, woraus sie für ihre zukünftige Tätigkeit lernen können. Der Zuspruch seitens der Studenten bestätigt die Richtigkeit meiner Gedanken. In einigen Fachhochschulen der Polizei ist das Kompendium anerkanntes Lehrmaterial. Allerdings ist die Thematik der mangelhaften Lehre so komplex, dass eine detaillierte Sicht der Dinge den Rahmen dieses Interviews sprengen würde. Hast du eine Idee, warum in Krimis und Thrillern die Polizeiarbeit so völlig falsch dargestellt wird? Klar, man will nicht sehen, wie 1500 Apotheken befragt werden, aber ein bisschen realistischer könnte es doch sein. Z.B. heißt es SoKo (die es nur selten gibt), anstatt MoKo und im Buch / TV gibt es eine SpuSi ... Kann man nicht korrekte Begriffe verwenden? Manfred: Krimi´s, sei es als Buch oder als Film haben in erster Linie das Ziel, den Konsumenten zu unterhalten. Dazu kommt gerade im Fernsehgenre der Quotendruck. Es muss immer spektakulärer, immer dramatischer oder immer blutiger sein als im Vorgänger zu sehen oder zu lesen war. Darunter leidet immer häufiger auch die Qualität. Ich sehe mir ungern Krimis an oder lese derartige Literatur, weil ich immer wieder auf schwere handwerkliche Fehler der Macher stoße. Bisweilen frage ich mich dann besorgt, wofür der Fachberater sein Geld bekommen hat. In Buch und TV sind fast alle Ermittler Alkis und sie sind Eigenbrötler, können nicht im Team arbeiten, Vorschriften interessieren nicht und die gesamte Polizei besteht aus korrupten Bullen. Ist das so mit Korruption und wie lange würde ein solcher Ermittler bei der Polizei bleiben, bis man ihn entlassen würde? Manfred: Die Problematik ist ähnlich gelagert, wie  bei der vorherigen Frage. Die Protagonisten müssen aus der Masse herausstechen, müssen etwas haben, was sie unverwechselbar macht. Natürlich gibt es in natura auch Suchtkranke oder Eigenbrödler. In der Polizei arbeitet der Querschnitt der Gesellschaft. Aus meiner Erfahrung trau ich mir aber den Satz zu … diese Kollegen haben es schwer. Eigenbrödler a la Holmes oder Maigret sind nicht sonderlich beliebt, weil es ohne ein funktionierendes Team nahezu unmöglich ist, die schwierigen Anforderungen in den Griff zu bekommen. Ermittlungsarbeit lebt vom Informationsaustausch. Ist da Sand im Getriebe, reibt sich nur der Täter die Hände. Dein Buch »Die Sprache der Toten« handelt von Spuren, die ein Toter hinterlässt, die zu lesen sind. Je schneller man agieren kann, um so bessere Chancen der Aufklärung hat die Polizei. Welche Möglichkeiten gibt es heute, die es vor 10 Jahren noch nicht gab, bedingt durch die technische Entwicklung. Manfred: Die letzten 10 Jahre brachten so viel Innovationen, dass es fast einem Quantensprung gleichkommt. Denken wir nur an die rasante Entwicklung der Gen-Analyse. Verbrechen, die Jahrzehnte zurückliegen, können heute aufgeklärt werden, weil es gelingt, asserviertes Gen-Material einer Person zuzuordnen. Die analytisch-technische Entwicklung erlaubt den Nachweis von Spuren im Nanogramm-Bereich. Daktyloskopische Spuren sind mit elektronischen Mittel verifizierbar … Die Kommunikationstechnik ermöglicht schnelle Zuordnung von Informationen, wenngleich an dieser Stelle wahrscheinlich die größten Ressourcen liegen. Die föderale Struktur Deutschlands stellt sich hier als Hemmnis immer wieder heraus. Welche Fragen bekommst du von Autoren am häufigsten gestellt? Manfred: Ganz sicher: Gibt es den perfekten Mord? Um es deutlich zu beantworten: Nein, den perfekten Mord gibt es nicht. Wird ein Tötungsverbrechen nicht aufgeklärt oder als solches nicht erkannt, ist es immer der unzulänglichen Arbeit der verantwortlichen Personen zuzuordnen. Mit »Persönlichkeiten, Ereignisse, Zusammenhänge der Geschichte« hast du eine Art Geschichtslexikon geschrieben. Braucht man das heute noch, in Zeiten von Internetrecherche? Manfred: Brauchen sicher nicht! Aber macht es nicht Spass ein Buch in der Hand zu halten und einfach nur zu schmökern? Fällt ein Stichwort auf, liest man aufmerksamer, andere Stichwörter werden nicht beachtet. Natürlich sucht man mit elektronischen Suchmaschinen unter Umständen schneller, vielleicht sind dort die Ergebnisse auch breiter, tiefer, mag sein. Es fehlt nach meiner Ansicht allerdings ein für mich wichtiger Punkt. Das Buch riecht, es knistert beim Blättern und auf der nächsten Seite beginnt wieder ein neues Abenteuer … Du bist Großvater. Müssen deine Kinder heute mehr auf die Kleinen anpassen, als ihr selbst damals? Oder kommt es einem nur so vor, dass Delikte an Kindern heute gestiegen sind, weil wir besseren Medienzugang haben? Manfred: Ich will mal versuchen, es an einem Beispiel zu erklären. Ich bin in einem kleinen Nest an der Elbe geboren, meine Großeltern lebten in Berlin. Zwischen diesen beiden Orten bin ich mehrmals im Jahr hin und her gependelt, mit der Bahn, 1956, als Fünfjähriger mit einem Pappschild um den Hals … ALLEIN! Auf diese Idee kommt heute niemand mehr, zumal für die Eltern die Gefahr besteht, wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht Ärger zu bekommen. Ich glaube nicht an eine Zunahme derartiger Delikte, bin aber der Überzeugung, dass das Verantwortlichsein für den Anderen nachgelassen hat. Hast du mal mit dem Gedanken gespielt, einen Krimi oder einen Thriller zu schreiben? Was wäre das Thema? Manfred: Nein, mit dem Gedanken spiele ich nicht. Ich bleib im Sach- und Fachbuchbereich, da fühle ich mich wohl. Obwohl ich mich in der Belletristik schon versucht habe („Verlorene Ideale“), überlass ich es doch lieber denen, die es können. Wie wäre es mit dem Angebot deinerseits am naturwissenschaftlichen- kriminalistischen Lektorat für Schriftsteller? Manfred: Das ist ja bereits Realität. Die angesprochene Autorenseite wird oft als Indikator für Fachfragen beansprucht. Direkte Kontakte, in der heutigen vernetzten Welt ja kein Problem, sind fast täglich genau für diesen Zweck immer da. Wann erscheint dein neues Buch und was kannst du uns darüber verraten? Gibt es Lesetouren in der nächsten Zeit? Wo finden wir die Termine? Manfred: Geplant ist ein dritter Band zum „Kompendium der Kriminalistik“. Wann dieser erscheinen wird, ist noch unbestimmt. In näherer Zukunf wird es eine zweite Auflage des Kompendiums im Brokatbook-Verlag geben. Angedacht ist eine Zusammenfassung beider Bücher in einem Band. Die e- Books zu beiden Bänden sind kürzlich erschienen. Ich danke dir, dass du dir Zeit genommen hast, meine Fragen zu beantworten. Manfred: Sehr gern Zu den anderen Interviews