Nachdem wir mit der Figurenbildung abgeschlossen hatten,
ging es weiter zur Dramaturgie. Im anglo-amerikanischen
Sprachraum sind universitäre Ausbildungsgänge (Master of
Creative Writing) selbstverständlich und seit den 1970er Jahren
etabliert. Leider trennt die deutsche Hochschulausbildung
immer noch „hochwertige Literatur“ von sogenannter
Belletristik und somit kommt kreatives Schreiben nicht vor.
Wir hatten drei Wochenenden Zeit um dramaturgisches
Handwerkszeug zu erhalten, eins mehr hätte nicht geschadet.
Theoretisch beschäftigten wir uns mit dem Dreiakter und der
Heldenreise nach Joseph Cambell und wandten dies praktisch
auf unsere eigenen Manuskripte an. An den ersten zwei
Wochenenden gab es Raum für Einzelgespräche mit Kerstin
Mehle, unserer Dozentin. Nach dem Studium für Theater-, Film-
und Fernsehwissenschaften in Köln, Rom und Florenz machte
sie einen Abstecher als Journalistin, ging zum TV, betreute als
Dramaturgin Serien wie „Leo & Charlotte“, die „Lindenstraße“
und war Entwicklungsautorin und Endredakteurin von „In aller
Freundschaft“. Nach einem weiteren Studienaufenthalt in LA an
der UCLA machte sie sich selbstständig. Sie arbeitet als
Lehrbeauftragte an der UNI Basel, begleitet Autoren und
Produzenten als Skriptdoktor, entwirft Fernsehformate und hat
Kino-Erfahrungen im internationalen Markt. Insofern waren wir
bei Kerstin gut aufgehoben. Schnell war jedem von uns klar, an
welcher Stelle der Plotline der Schuh brannte. Im Plenum wurde
beispielhaft an unseren Werken Dramaturgie besprochen, die
Logik der Handlung, Spannungsaufbau, eben das gesamte
Setting. Ich denke, hierbei haben wir alle eine Menge
mitnehmen können.
Seit Aristoteles gibt es erprobte Strukturen des Dramas,
Shakespeare hat es in Vollendung gezeigt. Dramatisierte
Exposition, Wende- und Höhepunkte sowie die Aktstruktur, gut
entwickelte Protagonisten und Antagonisten, die konträre Ziele
verfolgen, ein logischer Handlungsverlauf, gezielte
Wendepunkte, Plot und Szenen durch Handlung schärfen, ein
interessanter Spannungsbogen, verpackte Informationen, die
Frage, ob ich es den Protagonisten zu einfach mache, auch hier
steht Handwerk vor dem Schreiben.
Aus welcher Perspektive erzähle ich die Geschichte, kenne ich
die Örtlichkeit, wie viele Protagonisten lasse ich auftreten (zu
viele?, in welcher Reihenfolge), wie viele Erzählstränge habe ich
eingeflochten und wie sieht mein Zeitstrahl aus, wann passiert
was? Ist die Geschichte glaubhaft, ist sie interessant?
Viele Dinge konnten wir nur kurz ansprechen, andere an
Beispielen erarbeiten, an unseren eigenen Werken, an
Filmsequenzen. Ich hätte gern mehr Theorie erfahren, es gab
mir teilweise zu viel Leerlauf während der Einzelgespräche. Die
Aufgaben, die wir in dieser Zeit hätten machen können, waren
für mich nicht sehr zielführend, es schien mir persönlich nicht
gut vorbereitet. Bettina Würtz hatte ein eigenes Konzept,
sorgfältig ausgearbeitet mit Folien und Arbeitsblättern. Es gab
in diesem Modul seitens der Dozentin Literaturempfehlungen,
fast alle auf Englisch, am letzten Wochenende ein paar Kopien
aus Büchern, fast alles auf Englisch. Der Hinweis am ersten
Wochenende, man könne sich die Theorie, wie z.B. die
Heldenreise, googeln, ist nett, aber hier hätte ich bei dem Preis
des Seminars auch ein Papier erwartet. Es gibt unendlich viel
dazu zu googeln. Die Arbeit für mich, dann gute von schlechten
Ausführungen zu unterscheiden, wäre durch ein paar Linktipps
erheblich erleichtert worden.
Bettina hatte uns zwischen den Seminaren immer sehr gut
betreut. Auf die Hausaufgaben gab es schnell Feedback und
neue Hausaufgaben, sodass wir zwischen den Seminaren
genügend an den Figuren zu arbeiten hatten. In diesem Modul
bekamen wir in den ersten zwei Seminaren eine Hausaufgabe,
nur wenige erhielten zwischendurch Feedback, auch die
Tandemarbeit führte die Dozentin nicht weiter. Schade. Wir
waren extrem verwöhnt durch Bettina. Vielleicht ist meine Sicht
nur deswegen ein wenig getrübt, weil wir mit unserer ersten
Dozentin eine perfekte Betreuung rundherum hatten, durch
Unterlagen, Hausaufgaben, persönlicher Betreuung.
Wir haben jeder eine Menge gelernt, dafür möchte ich Kerstin
danken. Das steht fest. Und am Ende hatte jeder eine Plotline,
bzw. eine neue, umstrukturierte Plotline. Und was ich
phantastisch fand, jeder hatte eine andere Art, sich diese zu
erarbeiten: Tapete, Exceltabellen, Karteikarten, Kreisformen.
Die Einzelgespräche zu den Manuskripten empfand ich
persönlich schwierig. Ich habe viel mitgenommen, an meinem
Plot gearbeitet. Aber es bleibt mein Manuskript. Es gibt einen
Unterschied zwischen einem sachlich-fachlichen Gespräch,
fundiert wissenschaftlich begründet und einem Aufdrücken
von Meinung. Wir waren in ein paar Dingen nicht
übereinstimmend. Auf Widerstand meinerseits dies zu ändern,
und der Frage nach der fachgerechten Begründung wurde die
Stimme der Dozentin laut, die Antworten fielen teils extrem
unsachlich aus, sie versuchte den Stempel der Macht
aufzudrücken. Ich hatte das Gefühl, jemand war auch hier
nicht richtig vorbereitet. Unter erwachsenen Menschen
erwarte ich einen höflichen Ton und einen Umgang, der
verschiedene Standpunkte zulässt, nicht massiv Meinung
aufzudrücken unter dem Kompetenzmäntelchen. Ich war
unsicher. Man glaubt es kaum. Nette, erfahrene Kolleginnen
haben mich aber im Gespräch bestärkt, bestätigt, meine
Struktur in diesen Punkten sei völlig ok. Ich habe mir dann auch
Luft gemacht, ich finde, man muss es aussprechen. Ob die
Message zur Selbstreflektion angekommen ist? Ich bin mir nicht
sicher. Das ist meine persönliche Erfahrung in diesem Seminar,
andere werden es anders sehen.
Alles in allem war die Seminarreihe in Ordnung, aber es ist
noch genug Luft nach oben.
Nun geht es weiter, ich freue mich drauf!
Teil 1: Figurenbildung bei Bettina Wütz
Teil 3: Sprache & Form – Dozentin: Lisa-Marie
Dickreiter
Hier geht es zu meinen Büchern
Autorin
Sabine Ibing
Kreativ Writing
Zwei Jahre Ausbildung für
Autoren
Teil 2 - Dramaturgie bei
Kerstin Mehle