Autorin
Sabine Ibing
Der chilenische Poet Pablo Neruda ist 1971 mit dem Nobelpreis für
Literatur ausgezeichnet worden und ist einer der wichtigsten Dichter
Südamerikas. Seine politischen Gedichte sind legendär, mit denen sich
der unbequeme Kommunist und Politiker bei der damaligen Junta sein
Todesurteil einheimste. Er starb jedoch infolge eines Karzinoms nur
Stunden, bevor seine Häscher eintrafen, so sagte man damals. 2017
belegte eine internationale Ärztegruppe, die den Leichnam untersuchte,
Neruda wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit während seines
Krankenhausaufenthaltes im September 1973 vergiftet.
»Manchmal schrieb er auch auf den Speisekarten und
Konzertprogrammen, der Schiffe, auf denen er reiste. Seine Verse
zwängten sich zwischen die Auswahl der Vorspeisen, der Hauptgänge,
des Nachtischs und der Weine.«
2011 katalogisierte die nach ihm benannte Stiftung Fundación Pablo
Neruda in Santiago, jedes einzelne Blatt aus seinem Nachlass. Dabei
traten 21 bisher unbekannte Gedichte ans Licht. Unter dem Titel »Dich
suchte ich« sind sie nun in deutscher Übersetzung erschienen. Neruda
schrieb auf jedem Papier, das ihm in die Finger kam. So rutschte das ein
oder andere Gedicht wohl unter andere Papiere und wurde übersehen.
Die ersten sechs Gedichte sind »Liebesgedichte«, die wohl zum größten
Teil seiner Frau Mathilde gewidmet sind. Es folgen »Andere Gedichte« zur
menschlichen Unzulänglichkeit, zur Liebe seiner Heimat und
Naturerlebnisse. Da alle Gedichte handschriftlich verfasst sind, gibt es im
Text einen * für »nicht lesbar«. Die Gedichte entstammen verschiedenen
Zeiten, wohl ab den frühen Fünfzigern bis hin zu 1973. Möglicherweise
wurden bei der Durchsuchung seines Hauses durch die Militärjunta
damals weitere politische Gedichte vernichtet. Die Originalausgabe
dieses Gedichtbandes, Barcelona 2014, trägt den Titel »Tus pies toco en la
sombra« (Ich berühre deine Füße im Schatten)
»Mit dir durch die Straßen
und den Sand, mit dir
die Liebe, die Müdigkeit,
das Brot, der Wein
die Armut und die Sonne einer Münze,
die Wunden, das Leid
die Freude. …«
Das Telefon, eine neue Erfindung, mit der der Dichter sich damals nur
ungern anfreundete, findet hier die Erwähnung:
»… Ich wurde Telefieber, Telefimmel
heiliger Telefant,
tat einen Kniefall, wenn die schreckliche
Klingel des Despoten streng verlangte
nach Aufmerksamkeit, Ohren, Blut….
Im Anschluss finden wir Faksimiles einiger handschriftlicher Gedichte,
und es folgt ein Anhang zu den einzelnen Werken, Erklärungen zur
Entstehung. Dieser Band ist für Neruda-Fans ein Muss. Ein wundervoller
Band für alle, die noch an Gedichten interessiert sind. Ich gehe davon
aus, dass dieser Band nur deshalb die Chance zur Veröffentlichung
hatte, weil die Verse von Pablo Neruda stammen. Leider ist es heute so,
dass sich kaum ein Verlag findet, der Gedichte veröffentlicht, schade.
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Rezension
Dich suchte ich
von Pablo Neruda