Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Fantasy
Rezension
Die Knochenuhren
von David Mitchell
Hörbuch, 26 Std, 28 Min,
gelesen von Johannes Steck
Wie soll ich dieses Buch beschreiben? Freunde von Stephen King und
Harry Potter, ihr werdet euer Vergnügen haben! Anachoreten und
Horologen, schon mal von ihnen gehört? Die einen sind die Guten, die
anderen die Bösen. Die meisten von ihnen können ewig leben. Doch man
kann sie zerstören. Holly Sykes gerät zwischen ihre Fronten. Fantasy,
Gegenwart, Endzeitstory, Politik, wo setzt man bei diesem Roman an?
Von allem ein bisschen. Diese komplexe Geschichte in eine kleine
Inhaltsangabe zu pressen, würde mir Schwierigkeiten bereiten, denn es
handelt sich um Geschichten in der Geschichte. Anachoreten und
Horologen lauern in jeder Ecke. Niemand weiss etwas von ihnen,
niemand erkennt sie, sie sind wie du und ich.
Die Hauptfigur ist Holly Sykes, die schon als Kind Stimmen hört und
Ereignisse in der Zukunft sieht, die Radiomenschen in ihrem Kopf. Die
Geschichte beginnt 1984 im englischen Gravesend, die Minenarbeiter
organisieren sich gegen Thatcher, Hollys Eltern sind Pubbesitzer. Holly,
fünfzehn Jahre alt, möchte die Schule abbrechen, doch die Mutter
erlaubt es nicht, verbietet ihr obendrein den ein paar Jahre älteren
Freund, der als Autoverkäufer arbeitet. Sie packt ihren Rucksack, will
beim Freund einziehen, denn der ist ihre Zukunft. Einen Schlüssel für
seine Wohnung besitzt sie bereits. In seiner Wohnung angekommen,
findet sie ihn im Bett an, zusammen mit ihrer besten Freundin. Die
beiden schicken sie zum Brötchenholen. Von der ganzen Welt betrogen,
beschließt Holly nun fortzulaufen, in die weite Welt. Sie trifft auf die alte
Esther, die ihr Tee anbietet. Und sie bittet Holly, ihr Asyl zu gewähren.
Holly lacht und schlägt ein, nicht wissend, was das bedeutet.
Fünf Icherzähler in sechs Kapiteln berichten nun über ihr Leben, alle
haben etwas mit Holly zu tun, mit der auch wieder alles endet. Hugo
Lamb, ein eingebildeter Cambridge-Student ist der erste, ein ziemliches
A...loch und obendrauf ein Betrüger. Ed Brubeck ist der nächste
Erzähler, mit Holly verheiratet. Sie haben eine Tochter. Ed ist Journalist,
Kriegsberichterstatter im Nahen Osten, süchtig nach seinem Job, findet
sich nur noch schwer im realen Leben zurecht. Dann haben wir Crispin
Hershey, der Schriftsteller, er steht Hugo Lamb charakterlich in nichts
hinterher. Trotz seiner zynischen Lästereien und dem, was einem
Kritiker antut, hab ich ihn auf seine Weise gern gehabt, meine
Lieblingsfigur. Auch Holly hat ein Buch geschrieben, über die
Radiomenschen in ihrem Kopf und über ihre Visionen. Danach befinden
wir im Jahre 2025 bei Marinius, über den ich nicht mehr verraten
möchte. Nun erfahren wir, was Anachoreten und Horologen sind und
was die Knochenuhr ist.
»Wenn man uns kitzelt, lachen wir, wenn man uns vergiftet, sterben wir.
Aber nach unserem Tod kommen wir zurück. Wir leben unfreiwillig im
Kreis der Auferstehung. Unser neuer Körper wächst heran, altert,
stirbt, und - paff - sind wir wieder in der Dämmerung und wachen -
wusch - 49 Tage später auf der Erde wieder auf.«
Wir enden 2043 bei Holly im Endzeitszenarium, Ressourcen der Welt sind
verbraucht, Strom ein Privileg, kaum noch vorhanden. Willkommen im
Mittelalter.
Am Anfang des Romans geschieht nichts Übersinnliches. Es gibt ein paar
komische Gestalten, das ist auch alles. Holly erlebt eine merkwürdige
Situation mit den Anachoreten und Horologen, die aus ihren Gedächtnis
gelöscht wird. Danach geht es real weiter in der Welt von heute, mit
allen ihren Problemen. Zwischendurch begegnen wir wiederholt
Anachoreten und Horologen, wissen noch nicht viel über sie. Zum Ende
hin gleitet der Roman immer weiter in die Fantasywelt und ganz zum
Schluss befinden wir uns in einer Dystopie.
»Aber nicht wir haben die Welt kaputtgemacht«, sagt Mo. »Das war das
System. Wir konnten nichts dagegen tun.«
Und die Soldaten antworten, nicht sie würden den Leuten ihre
Solaranlagen wegnehmen, sondern das System. Niemand fühlt sich
schuldig, wenn etwas geschieht.
Apokalypse, Krieg im Nahen Osten, auch politisch hat dieses Buch
einiges zu bieten. Aber nie empfindet der Leser den Zeigefinger, den
Autor als Prediger. Jeder der Protagonisten erzählt in seiner eigenen
Sprache. Über 800 Seiten Spannung und Komik, Kritik an dieser Welt.
Cliffhanger, feine Dialoge, spannende Unterhaltung mit kleinen Hieben
gegen die Verlagswelt, ein Blick auf die Welt in der wir leben, wie die
Zukunft sich gestalten könnte, dazwischen die Wiederkehrer, von
denen nicht alle gut sind. Ein gewaltiger Plot mit vielen
Einzelgeschichten und Genremix, der aber gradlinig herüberkommt.
Nicht gern gesehen in der Verlagswelt wie der Protagonist und
Schriftsteller Crispin Hershey erklärt:
»In der Verlagsbranche wechselt man den Körper leichter als das
Genre.«
Und Verleger Hal sagt: »Ein Buch kann ebenso wenig halb Mystery sein
wie eine Frau halb schwanger.«
David Mitchell kann es! Mitchell erhielt für dieses Buch den World
Fantasy Award. Den hat er verdient!
Zuletzt etwas zum Sprecher Johannes Steck. Eigentlich habe ich diese
Stimme gern gehört. Aber … bitte versuchen Sie nicht wie ein Ausländer
Deutsch zu sprechen. Das war obergruselhaft. Alle Menschen aus dem
östlchen Europa, der Japaner, Spanier, Südamerika, Schweizer,
sprechen mit einem Dialekt, den ungeübte Ohren ev. dem Russischen
zuordnen würden. Halt, nicht ganz! Der Spanier lispelt dabei und der
Schweizer spricht obendrein einen Wellenrhythmus. Der Inder klingt wie
Deutsch mit heißer Kartoffel im Mund. Och nöööö. Das ist dilletantisch.
Dabei kann einem das schönste Hörbuch vergehen. Also Herr Steck: Du
nicht sprechen mit Migrationshintergrund.
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