Autorin
Sabine Ibing
Der erste Satz: »Wenn es um fünf Uhr morgens an der Tür klingelt,
bedeutet das schlechte Nachrichten: Jemand ist tot oder stirbt
gerade.«
Wer kann sich an die uralten Dark-Krimiserien erinnern? Ein
Detektiv, meistens schlecht bei Kasse, wenig gebucht, zerknitterter
Anzug, er besitzt ja nur einen, schmuddeliges Büro in übler
Wohngegend, unaufgeräumt, manchmal schläft er auch dort,
Sprücheklopfer als Zweitberuf, die Bullen haben ihn auf dem Kieker,
er ist dem Alkohol zugetan, bekommt öfter was aufs Maul, weil er
seine Nase in Dinge steckt, die ihn nichts angehen. So einer ist Harry
Rigby. USA? Nein, dieser Detektiv wohnt in einer nicht benannten
Stadt mit Fluss, am Meer, im Old Quarter «ein angenehmer Ort zum
Leben … wenn man eine blinde Freundin hatte und die Klienten
noch verzweifelter waren als man selbst». Die meisten Aufträge
beziehen sich auf das Auffinden von Haustieren, hin und wieder
muss er das Fremdgehen von Ehepartnern beweisen. Der
Icherzähler Harry hat Ärger mit seiner Lebenspartnerin, die ihn vor
die Tür gesetzt hat. So ganz akzeptiert er den Rauswurf nicht, denn
es ist seine Wohnung. Nebenbei arbeitet Harry als Journalist, im
Team mit Herbie, seinem Kumpel, der als Fotograf agiert. Die beiden
recherchieren in einem Mordfall, ahnen, dass hinter der Ermordung
einer Politikergattin eine brisante Story stecken könnte. Parallel
erhält Harry den Auftrag, die Ehefrau eines Geschäftsmanns zu
observieren. Harry braucht Geld, doch dieser Auftrag stinkt
gewaltig, es gibt keinen Grund zu vermuten, die Frau würde
fremdgehen, dem Ehemann wäre es auch egal.
»Es war Montagmorgen, drei Tage vor Weihnachten, so ein Montag,
der gut in der Lage war, für sich selbst zu sorgen. Ich schob mir ein
Kissen hinter den Rücken, drehte mir eine Fluppe mit einer Prise
Dope und verzwirbelten Ende, um ihr die Schärfe zu nehmen. Meine
Augen waren verklebt, mein Magen verkorkst, mein Schädel
vibrierte wie ein straff gespanntes Seil. Im Zimmer stank es nach
Mundgeruch, gelangweiltem Sex und kaltem Zigarettenrauch.«
Eigentlich will Harry lediglich seine zwei Jobs erledigen, doch
plötzlich steht er selbst unter Beschuss. Detective Sergeant Ronan
Brady und Detective Inspector Senan Galway drehen sein Büro auf
den Kopf, jemand bricht bei Harry ein, zerlegt das Büro in
Einzelteile. Harry selbst wird zerlegt, mehrfach. Der Detektiv
reagiert nur noch, wie eine Billardkugel, er wird gestoßen, touchiert
und die ganze Story nimmt eine neue Wendung, steuert auf etwas
zu, der Aufprall auf die Bande ändert die Richtung. Was geht ab, wie
hängt das zusammen?, fragt sich Harry, mit ihm der Leser, der dem
Icherzähler folgt. Korrupte Cops, Drogenbanden, Korruption,
falsche Freunde, wem kann der Antiheld trauen? Alkohol, Fluppen
Kaffee, zynische Sprüche halten ihn am Leben.
»›Du willst das wirklich tun?‹
›Ich tu nichts, es tut mich. Ich bin bloß der Beifahrer.‹«
Ein Hardboiled-Privatdetektivroman mit einem Helden, der auf dem
Seil tanzt, sich selbst nichts gibt, sich selbstkritisch beobachtet.
Harry ist chaotisch, wie der Plot, auf den ersten Blick. Man muss ihn
gernhaben, den Mann, der jeden Tag sein Hemd wechselt. Bis beide
gelb sind. Der eine Knarre in der Schublade liegen hat, die lediglich
ein Modell ist. Wenn allerdings seine Familie bedroht wird, dreht er
auf, dann mutiert er zum Helden. Sprachlich bewegt sich Declan
Burke im Milieu, passend zum Klientel. Harry ist schlagfertig und
sarkastisch, resümierend im eigenen Leben, ein typischer Noir-Krimi.
Als Leser fasst man sich an den Kopf, blickt kaum durch, beruhigt
am Ende, es löst sich alles auf. An einer Stelle konnte ich nicht
mitgehen. Der Roman wurde 2012 veröffentlicht. Und ich frage mich,
wie jemand kurz vor Schneefall mehrere Minuten in der
Flussmündung schwimmend, schwer verletzt, überlebt, sich im
eiskalten Wasser bewegen kann, klitschnass eine Weile durch die
Gegend rennt und dann auch noch nach dem Bad das Handy in der
Jackentasche klingelt … Wenn man über diese Szene hinwegschaut,
ist es ein guter Krimi, ein Lesevergnügen.
»›Ich bin die Managerin.‹
›Dann machen Sie Ihren Job.‹
Sie schob die Brille erneut nach oben, aber diesmal war sie gar nicht
nach unten gerutscht.
›Entschuldigung?‹
›Entschuldigung angenommen. …«
Ich schaue selten auf Cover, orientiere mich am Klappentext. Aber
dieses Cover ist wirklich nicht verkaufsfördernd. Schade, denn es
verbirgt sich ein guter Krimi dahinter. Beim diesem Cover sollte der
Verlag ein wenig nachlegen, und sei es nur ein schlichtes
einfarbiges Cover mit einer guten Schrift, wie andere aus Cover
diesem kleinen Verlag, der feine Bücher anbietet.
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