Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
zeitgenössische Romane
Rezension
Ismaels Orangen
von Claire Hajaj
Hörbuch, 6 Std, 42 Min,
gelesen von Boris Aljinovic
„Ich bin ein Mensch, du bist ein Mensch. Warum sollte ich dich hassen, ohne
dich zu kennen?“
Der siebjährige Palästinenser Salim Al-Ismael freut sich darauf, die Früchte
seines Orangenbaums zu ernten, der zu seiner Geburt gepflanzt wurde.
Sein Vater besitzt ein großes Haus in Jaffa und ist Großgrundbesitzer, er
züchtet Orangen. Doch der Krieg bricht herein und die Familie wird von
den Juden vertrieben, wie 700.000 andere Palästinenser auch. Die Familie
flieht nach Nazareth. Hier haben sie als Araber unter den Repressalien der
Juden zu leiden.
Am Tag der Gründung des Staates Israel wird die Jüdin Judit in England
geboren. Judits Familie stammt aus Russland, sie waren als Juden von
Stalin vertrieben, ihrer Heimat beraubt. Ihre Klassenkameraden nennen
sie Jude, was das Mädchen zunächst in seiner Dimension nicht begreift. Sie
wird von den „Freundinnen“ böse gemobbt, weil sie Jüdin ist. Das Mädchen
leidet an der strengen religiösen Erziehung, wehrt sich ein Stück dagegen.
Jude, sie behält den Spitznamen aus Trotz, lernt Salim auf einer Party in
England kennen, sie verlieben sich. Alle warnen vor dieser Beziehung: Ein
Araber und eine Jüdin, das kann nicht gut gehen. Doch die beiden
heiraten, als Menschen. Sie beschließen dem Wahnsinn ein Ende zu
machen, dass Menschen sich wegen ihrer Religion bekriegen, sie wollen
nichts damit zu tun haben.
Salim ist anfänglich guter Hoffnung. In Europa und bei den Amerikanern
geht es nach Leistung. Der ewigen Kämpfe in seiner Heimat leid, sieht er im
Westen seine Zukunft. Salim erhält von einer amerikanischen Firma einen
Job in Kuweit, wo die Familie längere Zeit lebt. Trotz guter Ausbildung und
bester Leistung muss er aber irgendwann erfahren, dass er doch immer
nur der Araber bleibt, in der Führung der in der hinteren Reihe, das
Frontschwein für die Drecksarbeit. In Salims Gedächtnis schwebt
allgegenwärtig die Orangenplantage und das Haus der Eltern. Sein Vater,
ein schwacher Mensch, hatte sich über das Ohr hauen lassen, als er sein
Eigentum nach Beendigung des Kriegs zurückforderte. Salim träumt
davon, es sich eines Tages zurückzuholen, trägt ein vergilbtes Foto mit sich
herum. Zunächst ist die Ehe glücklich, Jude und Salim bekommen zwei
Kinder. Doch der Kampf im Nahen Osten geht weiter. Die beiden können die
Welt um sich herum nicht völlig ausblenden. Palästinensische Angriffe auf
Israel auf der einen Seite, Gräueltaten seitens Israels auf der anderen
Seite. Salim wird von seinem Bruder aufgehetzt, hat berufliche Misserfolge,
weil er nur der Araber ist. Jude und Salim geraten aneinander. Salim
verlangt, dass die Kinder Arabisch lernen, Jude fügt sich. Die Kinder haben
keine Lust dazu. Meistens geht der Streit von Salim aus, der sich als
Palästinenser ständig betrogen fühlt. Marc, sein Sohn, möchte Tänzer
werden, tanzt im Röckchen, für Salim schwer zu ertragen. Die Kluft
zwischen Salim und den Kindern wächst, ein Sohn der den Vater braucht,
aber nicht versteht, ein Vater, der seinen Sohn nicht versteht. Er fixiert
sich immer mehr auf eine Möglichkeit sein Elternhaus zurückzubekommen,
unterstützt seinen terroristischen Bruder, vernachlässigt die Familie.
In diesem Roman wird ohne Schuldzuweisung der Konflikt zwischen Israel
und Palästina dargestellt. Gräueltaten auf beiden Seiten, ohne sich auf
eine Seite zu stellen, hier versteht sich die Autorin auf eine sachliche
Darstellung. Über die Protagonisten und deren Familie bekommt man
Einsicht in die Denkweisen der Familien, in die Verletzbarkeit, in die
Religionen, Wut und Verzweiflung auf beiden Seiten, übertragen auf
Generationen. Die Autorin selbst hat eine jüdische Mutter und einen
palästinensischen Vater und kennt sich gut in beiden Religionen und
Denkweisen aus. Und genau das macht diesen Roman aus. Atmosphärisch
tiefgehend in die Gefühle der Menschen, sachkundig in Religion und
Nahostkonflikt.
«Etwas, um davon zu leben, nicht nur Träume. Die hatten leicht reden.
Denn was war das Leben noch wert, wenn alle Träume zu Staub zerfielen?»
Eine bewegende Liebesgeschichte, eine interessante Familiengeschichte,
die dramatischer nicht sein kann, ein geschichtlicher Einblick in den
Nahostkonflikt. Ein spannendes Buch das bewegt, ein Aufruf zur
Menschlichkeit. Es sollte in keinem Bücherschrank fehlen.
zeitgenössische Romane
Krims und Thriller
Historische Romane
Fantasy, Fantastic, SciFi, Utopien Dystopien
Sachbücher (für jedermann)
Kinder- und Jugendliteratur