Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen
haben
Krimis / Thriller
Rezension
Klausjäger
von Silvia Götschi
»Es gibt aber Männer, die jeglichen Respekt verlieren, wenn sie
betrunken sind.«
Am 6. Dezember startet bei eisiger Kälte das Klausjagen im dunklen
Küssnacht, wie jedes Jahr in jahrhundertalter Tradition. Die Lichter in
der Stadt sind ausgestellt, nur die mit Kerzen beleuchteten Iffelen
leuchten den Weg des Nikolausumzugs. Der Umzug, angeführt von St.
Nikolaus, begleitet von Schmutzlis und seinem weißgekleideten
Gefolge, die die beleuchteten Iffelen über dem Kopf halten, erreicht
die Bahnhofsstraße. Der Nikolaus bricht zusammen, er wurde
erschossen.
»Bei den Frauen klingt es anders, als Richter war er nicht sehr beliebt
… zu männerlastig. Es kursieren Gerüchte, dass er sich vor allem in
Trennungs- und Scheidungsfällen gern auf die Seite der Männer
gestellt habe.«
Kommissarin Valérie Lehman ermittelt mit ihrem Team. Wer hat den
Nikolaus erschossen? Einer seiner Freunde aus der Sankt
Niklausengegesellschaft? Nach dem Umzug ziehen die Männer von
Kneipe zu Kneipe und lassen sich vollaufen bis zum Morgengrauen.
Nicht einmal der Tod ihres Vorsitzenden hält sie davon ab. So zeigt sich
die Vernehmung etwas schwierig. Oder stammt der Täter aus dem
privaten Umfeld, denn die Ehefrau macht nicht gerade einen
trauernden Eindruck, als sie vom Tod des Mannes erfährt. Ebenso
steht das berufliche Feld von Richter Gross im Focus. Schnell stellt sich
heraus, dass einige Frauen genügend Grund hätten ihn zu töten, denn
er stellte sich in Scheidungsprozessen immer auf die Seite der Männer,
sprach ihnen die Kinder zu, wenn sie das forderten. Valérie kann den
Zorn und die Frustration der Mütter verstehen, sie selbst steckt in
einer ähnlichen Situation, sie versucht gerade ihren Sohn zu
überzeugen, zu ihr zu ziehen, nun, da er fünfzehn ist. Mitten in der
Ermittlung holt sie ihn vom Bahnhof ab. Kann sie ihn überzeugen?
Valérie stößt auf eine von Männern dominierte Gesellschaft der
Innerschweiz, stockkonservativ. Die Nikolausgesellschaft besteht nur
aus Männern. Im Umzug dürfen nur Männer und Jungen laufen, die
Frauen und Mädchen dürfen zuschauen, die Frauen hernach die
Kinder einsammeln und nach Hause gehen, während die Männer sich
volllaufen lassen, Kellnerinnen begrabschen. Allerdings sind die
Frauen gut genug, die Gewänder für den Umzug zu nähen und zu
helfen, die Iffelen herzustellen.
»Sie kannte das Phänomen. Frauen opferten ihren Körper, um
verbalen Attacken, Demütigungen und womöglich Schlägen
vorzubeugen, um ihre Männer zu beschwichtigen, wenn sie außer
Rand und Band gerieten.«
Silvia Götschi hat hier nicht nur einen spannenden Krimi abgeliefert, sie
beschreibt Landschaften, Bräuche und die moderne Gesellschaft der
ländlichen Innerschweiz. Das juristische Festsetzen von Gleichheit und
Reden über Gleichberechtigung und Respekt ist eine Seite, die
Umsetzung eine andere. Zu diesem ernüchternden Schluss muss
kommen, wer die derzeitigen Debatten über die Gleichstellung der
Geschlechter und über alltäglichen Sexismus verfolgt. Über
Jahrzehnte haben Frauen sich für gleiches Recht und Freiheit
eingesetzt, haben die Gleichstellung erkämpft. Ob in der Arbeitswelt
oder im privaten Bereich, die Frauen in der Schweiz sind bis heute
schlechter gestellt, sei es nur bei der Aufteilung von Haus- und
Familienarbeit. Die Autorin benennt hier kleine Punkte mit gewaltiger
Wirkung. Amüsiert habe ich verfolgt, mit welcher Tatkraft manche
Frau sich wehrt, und mit welchen Tricksereien man die Entscheidungen
von Kantonsgerichten aussetzen kann. Ein kluger Krimi, der einen
guten Einblick in das Schweizer Leben gibt. Silvia Götschi hält die
Spannung stets oben, bis zum Ende tappt die Polizei auf mehreren
Spuren im Dunkeln. Ein Krimi passend in die Vorweihnachtszeit, den ich
absolut empfehlen kann.
Ein Link zum Klausjagen, die offizielle Seite.
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