© Sabine Ibing, Lorib GmbH         Literaturblog Sabine Ibing
Autorin Sabine Ibing
Der Anfang: »Anne Capestan stand vor ihrem Küchenfenster und wartete darauf, dass der Tag anbrach. Mit einem Schluck leerte sie ihre Tasse und stellte sie auf das grüne Wachstuch mit Vichy-Muster. Wahrscheinlich hatte sie gerade ihren letzten Kaffee als Polizistin getrunken.« Ein französischer Krimi aus der Abteilung Humor, gut geschrieben, weil das Buch nie in Kitsch oder Schenkelklopfer abfällt, sondern durch die Figurenzeichnung eine unterschwellige Komik stets präsent ist, niemals aufdringlich, immer im Rahmen der Glaubwürdigkeit. Anne Capestan hat im Dienst einen Kriminellen erschossen, aber der war unbewaffnet. Das wusste Capestan, aber sie behauptet, den Bleistift in der Hand des Mannes habe sie im Dunkeln als Waffe gedeutet. Ein Halunke weniger auf der Welt, er hatte es verdient, aber Capestan würde mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kündigung ausgesprochen werden. Es kommt anders, man macht sie zur Brigadeleiterin, 40 Leute, die man in der Polizei gern kündigen würde, uneffektive Mitarbeiter, fiese Kollegen. »Na schön, Capestan, noch mal zum Mitschreiben: Wir säubern die Behörde, um die Statistiken aufzupolieren. Wir stecken alle Alkoholiker, Schläger, Depressiven, Faulpelze und so weiter, alle, die unsere Abteilungen behindern, aber nicht gefeuert werden können, zusammen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Und zwar unter ihrem Kommando.« Diese Gurkentruppe aus Paris, so überhaupt jemand auftauchen sollte, bekommt eine heruntergekommene Altbauwohnung als Dienstsitz gestellt, darin nur ein paar klapprige Schreibtische aufgebaut. Man dürfe dort schlafen, häkeln oder Bilder malen, dem Amtsleiter sei das egal, Hauptsache, diese Kollegen bleiben dem Polizeipräsidium fern. Damit es aber nach offizieller Polizeiarbeit aussieht, stellt man ihnen zwei Kisten ungelöster Altfälle auf den Tisch, die sie lösen sollen: Fahrraddiebstähle, Handtaschenraub, man schickt sie auf die Jagd nach Eierdieben … »Ihr Enthusiasmus und ihr Pflichtbewusstsein hatten sie weit gebracht. Ihr Mitgefühl und ihre Erregbarkeit hatten sie vor die Wand gefahren. Seitdem hatte Anne Capestan Angst. Aber sie kniff nicht.« Mutlos findet sich Capestan in ihrem neuen Büro ein. Doch sie ist nicht allein. Eine kleine Truppe wühlt sich neugierig durch die Kisten und siehe da, es gilt auch zwei alte Mordfälle zu lösen. Ein Unglücksvogel, ein fauler Alkoholiker, ein »Kollegenschwein« und eine Schriftstellerin sind die Ersten im Team, ein Durchgeknallter und ein kranker IT-Typ werden folgen. Man hat alle Zeit der Welt und so wird zunächst die Bude gemütlich gemacht. Eva hatte sich lange vom Dienst beurlauben lassen, um Krimis zu schreiben, darin sehr deutlich mit Wiedererkennungswert über alle ihr bekannten Kollegen hergezogen. Erfolg und Reichtum machen nicht glücklich, wenn man dabei einsam ist, drum zog es Eva zurück ins Präsidium. Sie ist die »Mutter« der Brigade. Geld ist für sie kein Thema. Farbe an der Wand, ein paar antike Möbel, auch ein Sofa sind schnell organisiert, den Kamin saubergemacht, Küchenequipment besorgt, denn Eva kann gut kochen, zw. bestellen, bald kommt Gemütlichkeit in die Bude. Mit Torres will kein Kollege mehr zusammenarbeiten, er hat das schwarze Carma. Jeder Teamkollege von ihm ist entweder bereits tot oder wurde schwerverletzt. Merlot ist immer von einem Hauch von Rotwein umgeben, er ist stinkefaul und träge. Lebreton ist das Kollegenschwein. Er was Commandant der IGS (interne Ermittlung) und hatte zu tief bis in die Führungsetage gewühlt, was im Präsidium auch nicht gut ankam. Später kommen der Blaulichtmann und ein IT- Fachmann hinzu, der einen an den Kopf bekommen hat. Diese Brigade hat keine Vollmacht, keine Waffen, ist nicht in den Polizeiserver integriert, darf nicht verhaften, die Truppe ist ganz auf sich gestellt. Ein neuer Fall der Kriminalpolizei scheint mit ihrer Ermittlung in einem Mordfall in Zusammenhang zu stehen, aber sie bekommen keine Akteneinsicht. Mit einem Babyphon lässt es sich wunderbar Kollegen abhören. Und wie observiert man unbemerkt Kollegen? Ganz einfach, man stellt sich direkt vor das Präsidium mit einem Schild in Hand: Hungerstreik wegen Mobbing. Eindeutig, diese Brigade wird gemobbt. Dumm nur, wenn der man in der einen Hand das Schild trägt, in der anderen ein Baguette. Auch dafür gibt es eine logische Erklärung. Irgendwann steht auch einem Streikenden eine Pause zu. Der Plot ist durchschaubar, die Spannung nicht besonders hoch. Dieser Roman lebt durch seine Figuren. Ein konventioneller Krimi ohne Aufregung mit skurrilen Typen und feinem Humor, den ich als Entspannungsliteratur empfehlen kann. Die Geschichte an sich ist kein großer Krimiwurf. Der Einführungsband wird als Serie im Herbst weitergeführt. In Spannung und verstricktem Plot muss eine Schippe zugelegt werden, um mich als Fan zu gewinnen. Die Amts-Wohnung ist am Ende der ersten Folge gemütlich eingerichtet, der Kamin brennt, in der Küche brutzelt das Essen, der Wein steht auf dem Tisch. Die Kollegen schätzen sich, sämtliche Vorurteile sind ausgeräumt. Nun frage ich mich, wie in dieser Eintracht die Skurrilität weitergeführt werden soll, denn die ergab sich meist aus Vorurteilen. Die Abteilung besteht eigentlich aus 40 Leuten, genug Platz für weitere Gestalten. Aber irgendwann wird es zu eng werden in der Wohnung. zeitgenössische Romane Krims und Thriller Historische Romane Fantasy, Fantastic, SciFi, Utopien Dystopien Sachbücher (für jedermann) Kinder- und Jugendliteratur
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben Krimis / Thriller Rezension
Kommando Abstellgleis von Sophie Hénaff