© Sabine Ibing, Lorib GmbH         Literaturblog Sabine Ibing
Autorin Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben Krimis / Thriller Rezension Lizzis letzter Tango von Anja Marschall Lizzi, 70 Jahre alt, verbringt ihren Lebensabend in einer vornehmen Seniorenresidenz an der Elbchaussee in Hamburg mit Nichtstun. Sie genießt das Ambiente und lässt sich verwöhnen. Ihr Leben war hat. Als Fleischereifachverkäuferin musste sie für den Großteil des Familieneinkommens sorgen. Verheiratet mit dem nichtsnutzigen Willi, der als Eierdieb nur für Ärger sorgte, immer bei der Polizei landete, hatte sie auch kein leichtes Leben. Ihre Tochter ist nur mit sich selbst beschäftigt, kommt immer mal vorbei, wenn sie Geld benötigt. Nun fragt man sich, wie kommt diese Frau in eine vornehme Residenz nach Blankenese? Sie hat im Lotto gewonnen, so behauptet sie. Das ist eine auszulegende Wahrheit, ganz wie man Lotto definiert. Einmal im Leben war Willi zu etwas zunutze. Der Bankräuber wurde wie immer von der Polizei gestellt, versteckte aber seinen Raub so, dass ihn Lizzi finden konnte. Im Gefängnis erlag er an einem Herzinfarkt. Natürlich konnte Lizzi ihren Gewinn nicht bei der Bank einzahlen. Die Tochter kommt zu Besuch, braucht Geld für den Urlaub, im Schlepptau wieder einen dieser charakterlosen Typen, deren Namen Lizzi sich nicht merkt, weil es jedes Mal ein anderer ist. Kurz bleibt dieser Mann allein in ihrem Zimmer und oh Scheck, das Geld ist weg! Wovon soll sie nun ihre Miete zahlen? Die mickrige Rente reicht nicht aus. 200 000 Euro sind futsch! Elisabeth Böttcher ist kernig genug, sich das nicht bieten zu lassen. Wer war der Mann und wo wohnt er? Pflegerin Mareike steht Lizzi bei der Suche beiseite. Gleichzeitig ist der in Ruhestand lebende Kommissar Pfeiffer Lizzi auf der Spur. Der kann es nicht ertragen, den Fall damals nicht aufgelöst zu haben. Irgendwo muss das geraubte Geld stecken. Er ist sich sicher, Lizzi weiß etwas. Und dann geschieht auch noch ein Mord in der Residenz. Der neue Bewohner, ein honoriger Bankdirektor, der aber mittlerweile der Kungelei beschuldigt ist, wird erschossen. Wollte jemand seine Aussage vor Gericht verhindern?   Nun wird es turbulent in diesem Krimi. Anja Marschall schafft Humor durch skurrile Gestalten und Slapstick. Die Figur Lizzi an sich ist urkomisch. Sie entspricht in keiner Weise dem Seniorinbild von heute. Sie ist stark übergewichtig, legt keinen Wert auf Kleidung, doch, wenn sie nach draußen geht, trägt sie ein Kopftuch. Sie probiert sich nicht in Hobbys, treibt keinen Sport, beteiligt sich auch nicht an Spielchen in der Residenz. Genau darum ist Lizzi der Heimleitung ein Dorn im Auge. Sie passt nicht hinein, in die Gruppe der goldbehängten, gepflegten Damen mit kultivierter Freizeitbeschäftigung. Fragt man heutzutage den jungdynamisch wirkenden Rentner, wann man ihn besuchen kann, muss er erstmal den Terminkalender wälzen: Pediküre, Maniküre, Friseur, Fitnesscenter, Töpferkurs, Yogagruppe, Volkshochschule, Skatgruppe, es sieht schlecht aus. Und am Wochenende? Bildende Toskanareise, Marathon, Weinfest mit der Seniorengruppe, Städtetor nach Wien, Enkel hüten und dann kommt auch schon die Kreuzfahrt. Tut mir leid. Lizzi hatte ein anstrengendes Leben, musste jeden Pfennig drei Mal umdrehen. Die Tochter beschwert sich noch heute über die schlechte Kindheit. Lizzi möchte einfach nur die Beine hochlegen, aus dem Fenster schauen, das edle Ambiente genießen, das gute Essen. Anja Marschall stellt hier versteckt die Frage, ob man egoistisch im Alter die Beine ausstrecken darf. Muss man aktiv sein, muss man Enkel hüten, muss man attraktiv sein? Wie steht es um das Rollenverhältnis der Senioren heutzutage, wem hechten sie hinterher? Was erwartet viele Menschen, die in unterbezahlten Jobs sich wacker durch das Berufsleben schlugen am Ende des Lebens? Besonders Frauen sind von der Altersarmut betroffen. Lizzi in ausgebeulten alten Klamotten, bedeckt sich mit Schlottermantel und Kopftuch, schreitet rasch und energisch durch die Welt, wider jede Ästhetik einer Gran Dame oder einer fitten Jeans-Oma. Sie braucht auch keinen neuen Kerl, der eine war schlimm genug. Lizzi ist Lizzi. Und genauso störrisch und knurrig, wie sie daherkommt ist sie auch. Intelligent und spitzfindig löst sie den Fall, egal was die anderen reden. Eigensinnig stürmt sie los, muss von ihren Mitstreitern oft gebremst werden, verspricht Ruhe zu geben, um im nächsten Moment loszustürmen. Es fällt dem Leser schwer, Lizzi gern zu haben. Lizzi lässt es sich gutgehen auf Kosten einer Bank. Ist das moralisch verwerflich? Wer sind denn die anderen beringten Frauen um sie herum, die sich die Residenz leisten konnten? Haben die dafür so hart gearbeitet wie Lizzi? Lizzi ist intelligent. Sie hätte sich doch weiterbilden können, ihren Willi vor die Tür setzen. Was ist geblieben? Eine mickrige Rente am Sozialhilfeniveau. Selber Schuld? Jeder ist seines Glückes Schmid. Eben. Darum greift Lizzi zu. Ein humorvoller Krimi, der einige Gedanken beim Leser aufreißt. Skurrile Protagonisten, ein Fall voller Wendungen. Feine Beobachtungen in Situationskomik gesetzt, hält den Leser fest, dazu braucht es kein Blut. Eine Lizzi, die nicht nachgibt und mit trickreichen Überlegungen zum Ziel kommt. Genau das wird ihr gleich zum Verhängnis, weil einige Personen daraus Kapital schlagen möchten und mit einer Detektei, ein neues Lebensziel sehen. Wird sich Lizzi breitschlagen lassen, sie will doch nur in Ruhe gelassen werden? Ich fürchte ja. Denn ein neuer Fall für Lizzi liegt in der Druckerpresse. Freuen wir uns darauf.   Interview mit Anja Marschall Zur Blogtour zu diesem Buch zeitgenössische Romane Krims und Thriller Historische Romane Fantasy, Fantastic, SciFi, Utopien Dystopien Sachbücher (für jedermann) Kinder- und Jugendliteratur