Autorin
Sabine Ibing
Minus 18 Grad
von Stefan Ahnhem
Kommissar Fabian Risk und sein Team stehen vor einem Rätsel.
Zunächst sieht alles nach einem Verkehrsunfall aus. Ein Mann
stürzt mit dem Auto vor Zeugen die Klippen hinunter. Die
volltrunkene Chefin der Mordkommission von Helsingborg, Astrid
Tuvesso, hatte den Wagen verfolgt. Der Fahrer ist allerdings
tiefgefroren, laut Aussage der Rechtsmedizin bereits seit Wochen
tot. Wer ist gefahren? Die Nachforschungen ergeben, dass der
Tote jedoch kurz vor dem Unfall mehrfach gesehen wurde,
Bankgeschäfte tätigte. Er hatte sein gesamtes Vermögen
aufgelöst, nach Panama transferiert. Die Ermittler tippen auf
Identitätsdiebstahl und finden heraus, dass der Tote ein paar
Monate vorher einen neuen Führerschein beantragt hatte und
die Bank wechselte. Nun beginnen sie zu forschen, fragen die
Führerscheinstelle ab, vergleichen neu beantragte Führerscheine
mit Namen von alleinstehenden Millionären. Eine Mordserie
scheint sich aufzutun. Allerdings stiehlt der Täter nicht nur die
Identität, er ist auch in der Lage, sich optisch in sein Opfer zu
verwandeln. Die Leichen werden in einer Tiefkühltruhe
eingefroren und der Täter verkauft in Ruhe alle
Vermögenswerte, verschiebt die Gewinne. Wer steht als Nächstes
auf der Liste? Können Risk und sein Team weitere Morde
verhindern?
Parallel ermittelt in Dänemark die strafversetzte Polizistin Dunja
Hougaard in mehreren Fällen von »Happy Slapping«, bei dem
Menschen auf öffentlicher Straße von einer Gruppe Jugendlicher
misshandelt werden, die Smiley-Masken tragen. Einer von ihnen
filmt das Slapping, stellt es ins Netz. Die Slapper werden von Mal
zu Mal brutaler.
Identitätsdiebstahl, kein neues Thema, aber immer wieder zieht
dem Leser eine Gänsehaut über den Rücken, wie einfach das zu
managen ist. Neu ist hier, dass der Täter nicht elektronisch agiert,
sondern per Maske völlig die Identität seines Opfers übernimmt.
Ein typischer Schwedenkrimi, düster, brutal, Ermittler mit einem
Haufen von Problemen überzogen, versoffene Polizisten, kaputte
Familien.
Junge Leute ergötzen sich daran, Schwächere niederzuprügeln
und sogar im späteren Verlauf zu töten. Sie ziehen ihren Kick
daraus, das Ganze zu filmen und auf die Likes zu warten. Nicht
explizit ausgedacht vom Autor, sondern heute real im Netz
anzuschauen. Warum sehen sich andere Menschen sich das an,
fragen sich die Leser? Warum liest du Schwedenkrimis?, könnte
man zurückfragen. Eine Verrohung der Gesellschaft? 18 Grad
Minus haben hier nicht nur die Leichen in der Tiefkühltruhe, der
ganze Plot ist durch Handlung und die kaputten Protagonisten kalt
durchsetzt. Beide Stränge haben eigentlich nicht viel miteinander
zu tun, sind durch die Protagonisten am Ende verwoben.
Die Geschichte ist durchgängig spannend und die Cliffhanger sind
gekonnt gesetzt. Soweit ist der Thriller klasse gesetzt. Die
Geschichte hat mich am Ende nicht ganz überzeugt. Der
Antagonist des Identitätsdiebstahls selbst (na klar doch ...) ist ein
Opfer ..., das drumherum ist doch arg klischeehaft. Die Masse der
Opfer, die Schnelligkeit, deren Rolle zu übernehmen, wirkt
aufgesetzt. Die anfangs feine Vorbereitung, völlig akribisch sich
dem Opfer anzugleichen, seine Stimme zu trainieren, Vorlieben,
Hobbys, die Optik, ist zum Ende des Buchs für mich nicht mehr
glaubhaft in der Dimension. Die persönliche Geschichte des
Antagonisten ist für mich unglaubwürdig und abgelutscht (ich will
nicht spoilern). Ich frage mich auch, warum die beiden
Erzählstränge in das Buch hineinmussten? War eine Grausamkeit
nicht genug, die sich steigert? Sie sind auch nur eine private
Verflechtung einer Familie der Protagonisten. Jeder Polizist ist
kaputt, die Familien sind samt Kinder desolat, fast jeder ist
persönlich involviert, die Masse an Komplikationen, privater
Probleme, eingestrickt in die Verbrechen, geben dem
Gesamtkonzept dann das Minus. Was gut angefangen hat,
endete für mich im Keller der Abstrusitäten, auch wenn die
einzelnen Figuren charakterlich gut gezeichnet sind. Schade.
Schwedenkrimi, mal wieder reingeschnuppert und für mich
festgestellt, nicht meins: Zu duster, zu brutal, viel zu kaputte
Typen auf einen Haufen. Schwedenkrimifans werden den Thriller
mögen.
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