Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
zeitgenössische Romane
Rezension
Schnell, dein Leben
von Sylvie Schenk
Der erste Satz: »Als kleines Mädchen der fünfziger Jahre weißt du von
deiner Minderwertigkeit und möchtest lieber ein Junge sein. Der Wunsch
bewirkt, dass du nie zum knallharten Feminismus konvertieren wirst.
Männer sind die wichtigsten Akteure der Menschheit.«
Mit knappen Worten und grosser Intensität fasst Sylvie Schenk das
Nachkriegsdeutschland zusammen. Louise ist in einem kleinen Dorf in
den französischen Alpen aufgewachsen. Die Mutter muss täglich beim
Vater um das Haushaltsgeld betteln. Louise erfährt, die Mutter war ein
Adoptivkind. Darüber wird geschwiegen. Der Vater ein Zahnarzt, ein
Despot, war Soldat im Zweiten Weltkrieg. Darüber wird geschwiegen.
»Natürlich ist es beneidenswert ein Junge zu sein, gleichzeitig schleicht
sich in dich eine gewisse Verachtung für die männliche Welt ein. Oft sind
die Frauen unglücklich, weil die Männer sie betrügen, sie verlassen, sie
schlagen, sie beschimpfen.«
Louise studiert in Lyon Latein, Griechisch und Literatur, verliebt sich in
den Deutschen Johann, Student der Chemie, heiratet, zieht mit ihm nach
Deutschland. Ihr Vater ist zunächst entsetzt. Ein deutscher
Schwiegersohn, das kommt gar nicht in Frage!
»Seine Eltern, erzählt Francine, sind während der Besatzung
umgekommen, am Ende des Krieges. Der Vater ist von den Deutschen
gefoltert und erschossen worden, die Mutter wurde deportiert und ist in
einem Konzentrationslager gestorben.«
Deutsches Wirtschaftswunder, 68er-Bewegung, spießiges Bürgertum,
alte Zöpfe in den Köpfen von Sophies Schülern, die sie abschneiden
möchte, die behutsame Annäherung zwischen Deutschland und
Frankreich. Henri war Louise’s erste Liebe, seine Eltern wurden durch
die Nazis getötet. Er beschuldigt Johanns Vater, bei der SS in Lyon
gearbeitet zu haben, trage somit Mitschuld am Tod seiner Eltern. Nach
dem Tod von Louises Schwiegervater wird klar, in welcher Verstrickung
Johanns Vater im alten Regime steckte. Nun wird über Johann berichtet.
Er ist nun frei von seiner Familie und kann erzählen.
»Das Leben dreht sich darum: Man soll gehorsam, fleißig und zuverlässig
sein.«
Schenk schreibt in der zweiten Person Singular, was der Autorin und so
dem Leser eine Distanziertheit zu den Personen schafft. Die Generation
des Schweigens, Schuld und Sühne, komplex zusammengefasst. Zwei
Länder von Krieg und Hass geprägt, die wieder Annäherung finden. Sie
fasst in kurzen Kapiteln erstaunlich prägnant Geschichte zusammen. Ein
Buch voll Tiefgang, das noch lange im Gedächtnis bleibt.
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