Autorin
Sabine Ibing
Der erste Satz: »Weiß stand der Mond am Himmel.«
1894, Kriminalinspektor Hauke Sötje steht in zivil Posten auf dem Marktplatz
von Kiel, sieht, wie sich Arbeiter und Studenten zusammenrotten, jemand
eine Rede hält. Der Rädelsführer wird plötzlich hinterrücks erschossen.
Sötje verfolgt den Mann in eine Wohnung, wird niedergeschlagen und kurz
darauf von Kollegen gefunden wird. Seine Kleidung riecht nach Schnaps.
Man wirft ihm vor, den Posten verlassen zu haben, um zu trinken.
Bekommt er die Kündigung? Am Nord-Ostsee-Kanal wird die Leiche von
Ingenieur Strasser gefunden, ein Suizid. Nun wird Hauke Sötje kurzfristig
zum Kommissar erhoben, soll dort hinfahren, das Ganze lediglich
protokollarisch abhandeln. Aber Sötje erkennt, der Ingenieur wurde
ermordet. Er ermittelt in einflussreiche Kreise. Das passt natürlich nicht
jedem.
Ein spannender Plot führt uns zurück zur Zeit des Kanalbaus. Schlechtes
Wetter, Matsch, harte Arbeit und wenig Lohn zu schlechten
Arbeitsbedingungen, eine Zeit des Aufruhrs. Anja Marschall hat intensiv in
dieser Zeit recherchiert und gibt uns einen guten Einblick in diese Zeit.
Kleidung, Nahrung, sprachliche raffiniert eingebunden um 1900, die
Epoche eines sozialen Umbruchs. Kaiser Wilhelm II. zeigte lange keine
Einsicht zur modernen konstitutionellen Monarchie, das Volk fing an, im
Untergrund zu rebellieren. Die Autorin zeigt die Bedeutung dieses Kanals
auf, der Nord- und Ostsee miteinander verbinden sollte, zeigt auf, welche
Bedeutung die Nordsee für den Kaiser hatte.
»Tatsächlich wurde allgemeinhin angenommen, dass Kaiser Wilhelm II. mit
der Insel Helgoland etwas größeres im Sinn haben könnte. Er hatte
zugunsten der Briten auf alle kolonialen Ansprüche nördlich Deutsch-
Ostafrikas verzichtet, um den Felsen in der Deutschen Bucht bekommen
zu können.«
Die Kapitel des Buchs beginnen stets mit einem Originalzitat der »Kieler
Zeitung oder der der »Kanalzeitung«, passend zum Geschehen.
Menschenunwürdige Zustände herrschen an den Baustellen, aber auch in
den Fabriken des Landes. Die meisten Menschen leben in Armut.
»Mit unerbittlicher Härte wies sie auf Missstände in den Fabriken hin,
erklärte Armut nicht als gott-, sondern gesellschaftsgegeben.«
Ein zweiter Strang des Romans befasst sich mit dem Aufbau der Polizei in
Deutschland, dem Beamtentum der Kriminalen. Erste Lehrgänge schulen
die Polizeianwärter, Mikroskope werden benutzt, erste Autopsien
durchgeführt, Spuren gesammelt und Fingerabdrücke soll man
neuerdings nehmen können, Portais zeichnen, anstatt der alten Methode,
einfach Statur, Größe und körperliche Merkmale von Verbrechern auf
Karteikarten zu sammeln.
Ȇberall im Kaiserreich baute man seit einiger Zeit spezielle
Polizeieinheiten auf, um den immer dreister werdenden Verbrechern
besser begegnen zu können. Die neue Zeit hatte nicht nur das Leben der
Menschen verändert, sondern auch die Vorgehensweise von
Schmugglern, Mördern und gewaltbereiten Gesindel.«
Eine gut gelungene Mischung aus historischem Roman und einem Krimi ist
Anja Marschall hier gelungen. Nordsee, Ostsee, Sturmgebrus, soziale
Unruhen und moderne Polizeiarbeit machen eine gute Mischung aus, nicht
zu vergessen, die spannende Geschichte, die dem zugrunde liegt.
Interview mit Anja Marschall
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Tod am Nord-Ostsee-Kanal
von Anja Marschall