Autorin
Sabine Ibing
1980, Berlin, Hausbesetzerszene, Kunstszene, Kreuzberg, Wiener Straße.
Das »Café Einfall« öffnet um 18 Uhr. Doch irgendwer muss die Sauerei der
Nacht entfernen, die versifften Klos schrubben. Drum ist heute Morgen
die Tür offen, ständig schlappt einer rein und fragt »Ist hier schon
offen?«. Nein, es ist geschlossen, Kaffee gibt es auch nicht, nur Bier und
Schnaps, was viele Typen nicht abhält, doch hereinzuschlappen. Ein
Kontaktbeamter warnt vor Junkies und einige Leute suchen nach einem
Job als Bedienung. Erwin Kächele aus dem Schwabenland, der Wirt, ist
Morgenmuffel, doch der braucht eine Putze, keine Bedienung. Seine
Nichte ist angereist, will aber kellnern, macht den Vorschlag, das Café
schon morgens zu öffnen, ist ja ein Café, Kuchen backen kann sie auch,
war schließlich auf der Hauswirtschaftsschule. Lehmann braucht nen
Job, will aber auch lieber kellnern, als Klos zu putzen. Sven Regeners
Romanfamilie ist wieder da: Lehmann, Karl Schmidt, Kächele, der
Chauffeur und Ossi Marko, Künstler wie H. R. Ledigt oder P. Immel.
P. Immerl hat mit einigen Künstlern ein Haus gegenüber vom Café
besetzt und betreibt dort die »ArschArt Galerie«. Die wollen groß raus
kommen mit Aktionskunst und so. Fürs Fernsehen müssen sich ein paar
als Punks verkleiden, weil das TV auf Punks steht. Für Künstler allein
kommen die nicht. Und er interessiert sich für den leeren Intimfriseur
gegenüber, der dichtgemacht hat, dort könnte man eine Kneipe
aufmachen. Die vielen Künstler-Karstens werden durchnummeriert,
damit man sie unterscheiden kann. Karsten 1 wird aber Kacki genannt.
»Die Tür fiel zu und es war zappenduster. Erwin stellte den
Werkzeugkasten ab, den er für die Pfeifen mitgebracht hatte, denn das
waren sie, Pfeifen, wie bin ich hier nur reingeraten, fragte er sich schon
den ganzen Tag immer wieder rhetorisch, meist in Gedanken, manchmal
auch laut, aber weder Karl Schmidt noch Frank Lehmann, der
offensichtlich Karl Schmidts neuer Lieblingskumpel war, noch H.R. und
schon gar nicht Chrissie, seine beknackte Nichte, hatten sich auch nur
angesprochen oder sonst wie kompetent gefühlt, mal irgendwas darauf
zu antworten….«
Und dann ist da noch die WG über dem Café, Erwin ist der Vermieter. Die
Pfeifen müssen erstmal renovieren, bevor sie ihre Zimmer in Beschlag
nehmen können. Und Lehmann bekommt den Putzjob, muss ja irgendwie
die Miete bezahlen. Chrissie setzt sich bei Erwin durch. Nun muss auch
noch die uralte Kaffeemaschine repariert werden.
»›Dann nehm ich den, nee, Moment mal, da schauen wir mal, so sieht's
aus, könnte aber auch, wenn ich den da, ja nee, da drüben ist nichts,
angeschlossen ist das, wenn man hier, dann… ‹, so ging das munter in
seinen Bart hinein, der ein kurzer Schnauzer war, und Frank ließ sich
davon berieseln, während er in Ruhe den Boden wischte, vielleicht mache
ich ihm wirklich einen Kaffee, wenn er fertig ist, dann kann man die
Maschine gleich testen, dachte Frank, vielleicht wäre es wirklich mal gut,
Kontakt aufzunehmen zu einem, der von ganz woanders kommt und
ganz woanders unterwegs ist, rauschte es ihm kirchentagsgleich durch
die Birne, während er wischte und wischte, eine Tätigkeit, die ihm, wie er
in den letzten Tagen gelernt hatte, umso mehr Spaß machte, je dreckiger
der Boden war.«
Eine Hommage an das alte Berlin-Kreuzberg, das unangepasste Leben.
Witzig, wie man die Truppe kennt, aber nichts Neues. Das Buch war lustig
und ich habe viel gelacht. Da gibt es nichts. Doch … »Neue Vahr Süd« und
»Herr Lehmann« waren um Klassen besser. Viel Wiederholung aus den
alten Büchern. Trotzdem ein guter Roman, denn Dialoge hat Sven
Regener allemal drauf. Hier wird berlinert, klasse.
Doch ich hätte mir für das Hörbuch einen anderen Sprecher gewünscht.
Bei »Neue Vahr Süd« habe ich Sven Regener als Sprecher geliebt, Bremen,
Bremer Dialekt. Nun sind wir in Berlin, Erwin ist Schwabe, erzählt sehr viel.
Dieser ständige Bremer-Dialekt im Erzählton (außer bei den Berliner
Stellen) als Hintergrund nimmt mir das Berlinfeeling, die Authentizität der
Protagonisten. Wer die alten Bücher liebt, sollte sich das hier nicht
entgehen lassen, Lachen ist angesagt.
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Rezension
Wiener Straße
von Sven Regener
Gesprochen von: Sven Regener
ungekürztes Hörbuch Spieldauer: 06 Std. 03 Min.