Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen
haben
Krimis / Thriller
Rezension
Der irische Löwe
von Annelie Wendeberg
»Warum das Ganze? Warum die Geheimnisse? Warum hast du keinen
Ehemann, keine Freunde?«
Ja warum? Das habe ich mich am Ende vom Buch auch gefragt. 1885,
die Krankenschwester Anna ist am Abend unterwegs, um den Armen
zu helfen. Tagsüber arbeitet sie als Mann verkleidet in einem
Krankenhaus als angesehener Arzt. In dem Armenviertel St. Giles lernt
Anna Garret OHare kennen, einen Meisterdieb, ein Hüne mit
Löwenmähne. Plötzlich streicht ein reicher Herr durch das Viertel, der
als Freier Prostituierte mit dem Messer verletzt (der Ripper in seinen
Anfängen?). Anna will ihm das Handwerk legen.
Um es vorwegzuschicken, ich wusste nicht, dass dies Buch das Prequel
zur Anna Kronberg-Trilogie ist. Mir hatte der erste Band
»Teufelsgrinsen«, sehr gut gefallen. Warum nach drei Krimis um Anna
Kronberg nun die Vorgeschichte nachgereicht wurde, ist mir ein Rätsel.
Anschaulich beschreibt die Autorin das Leben in den Slums von
London. Arm, dreckig, krank, medizinisch unterversorgt, Diebe,
Hafenarbeiter, Prostituierte, Bordellbesitzer, Garküchen, Pubs, man
riecht förmlich den Dreck, Schweiss und Kot aus dem Buch heraus, eine
atmosphärische Beschreibung der Zeit. Hier liegt für mich der Charme
des Krimis, London in seiner reinen Form, mal ohne Klunker und Roben,
fein recherchiert die andere Seite des Lebens. Allen Geschichtsfans
würde ich die diesen »Krimi« empfehlen.
»Teufelsgrinsen« hatte für mich Raffinesse, hier finde ich nur
Mittelmäßigkeit. Ein gefälliger Roman ohne Höhepunkte, es plätscherte
dahin. Die ersten Seiten war ich sogar irritiert, da die Protagonisten
wenig sprachen, lediglich bellten, quiekten, grunzten. Ich war kurz
davor abzubrechen, doch glücklicherweise ging es in dem Stil nicht
weiter. Anna schilt sich ständig ... auch so ein Dauersatz.
In den Folgebänden wird mehr Wert auf den »Mann« Anton gelegt, den
Arzt, der in diesem Band nur kurz erwähnt wird. Anna ist im
Berufsleben Anton. In diesem Band darf sie Anna sein, die Handlung
bezieht sich fast ausschließlich auf die Abendstunden. So erfährt der
Leser im Nachhinein etwas mehr über Anna. Ich hätte mir allerdings
diesen Band an den Anfang der Serie gewünscht. Letztendlich bringt
es den Leser der Vorbände nicht weiter, wirkt stellenweise für einen
Krimi zu schmonzettenhaft. Wo die Kriminalgeschichte stecken soll,
fragte ich mich bis zum Ende. Es gibt keine. Als Krimileser muss man
das Buch nicht lesen, denn es ist kein Krimi. Als Fan von historischen
Büchern betrachte ich es als lesenswert.
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