© Sabine Ibing, Lorib GmbH         Literaturblog Sabine Ibing
Autorin Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben zeitgenössische Romane Rezension Meine geniale Freundin von Elsa Ferrante »Seit mindestens drei Jahrzehnten erzählt sie mir, dass sie spurlos verschwinden möchte, und nur ich weiß, was sie damit meint. Sie hat nie eine Flucht im Sinn gehabt, einen Identitätswechsel, den Traum, anderswo ein neues Leben zu beginnen. » Gleich vorweg, Elena Ferrante kann erzählen, und wie! Der Sog erfasst den Leser von der ersten bis zur letzten Seite. Die Schriftstellerin Elena Greco, 66 Jahre alt, erhält einen Anruf. Ihre Freundin sei verschwunden, sie habe ihr gesamtes Haus ausgeräumt und alle persönlichen Dinge seien verschwunden. Elena, genannt Lenú erinnert sich in diesem ersten Band einer Romantetralogie an die gemeinsame Kindheit und Jugend, an eine immerwährende Freundschaft, an die Rivalität mit der gleichaltrigen Schustertochter Raffaella Cerullo, Lina gerufen, von Elena Lila genant. Die beiden wachsen im Armenviertel Rione von Neapel auf. Die alten Leute dort, haben noch nie das Meer gesehen. Gleich zu Beginn der Erzählung schmeißen die Freundinnen ihre Puppen in ein schwarzes Loch, in den Keller des Bösen. Ein Symbol der Verabschiedung von der Kindheit. Das Loch symbolisiert gleichzeitig das Niederträchtige, etwas das die Geschichte durchziehen wird, es ist der Keller von Don Achille, dem Camorra-Boss des Viertels. Lila und Lenú könnten nicht unterschiedlicher sein. Lenú ist niedlich, gefällig, beliebt, muss in der Schule fleißig lernen. Lila, die Kratzbürste, ist rebellisch, ein dürres Mädchen, schmutzig, mit zerrupften Haaren, ein Kind, das keiner mag, der aber intellektuell alles zufällt. Lila manipuliert die Menschen um sie herum, macht, was sie will. Sie erhält gute Zensuren ganz ohne Anstrengung, was Lenú anspornt, gleichzuziehen. Lila ist die Geniale, lernt im Flug. Doch die Schustertochter darf jedoch die kostenpflichtige weiterführende Schule nicht besuchen, ihr Vater hält das für unnötig. Lenús Vater, ein einfacher Angestellter, der am Empfang des Rathauses arbeitet, kratzt das Geld zusammen, weil Lenú  begabt ist. Anfänglich hat sie Schwierigkeiten mit dem Fach Latein. Die wissbegierige Lila, leiht sich die Schulbücher aus der Bibliothek, begreift sofort, hilft Lenú bei der lateinischen Grammatik. Später eignet sich Lila sogar Griechisch im Selbststudium an. Lila gelingt einfach alles. Die Freundschaft ist geprägt von der Rivalität der Mädchen. Die eine hat, was der andere gern hätte. Ihre gemeinsame Leidenschaft sind Lesen und Lernen.  »Ich sehne mich nicht nach unserer Kindheit zurück, sie war voller Gewalt. Es passierte alles Mögliche, zu Hause und draußen, Tag für Tag, doch ich kann mich nicht erinnern, jemals gedacht zu haben, dass unser Leben besonders schlimm sei. Das Leben war eben so, und damit basta, wir waren gezwungen, es anderen schwerzumachen, bevor sie es uns schwermachten.« Ganz nebenbei ist dies Buch politisch. Es führt uns durch das Nachkriegs- Mezzogiorno. Katholische Kirche, Mafia, sich verändernde Sitten, ein Portrait einer Gesellschaft. Im Viertel gibt es zwei reichen Familien, die des Lebensmittelhändlers und die Besitzer der Bar-Pasticceria. Beide kämpfen um die Vormachtstellung, und die meisten Menschen biedern sich an, wollen teilhaben, werden aber von ihnen um ihr Erspartes gebracht. Sie fürchten und gleichzeitig ehren sie diese Kriminellen. Eindrucksvoll wird das Silvesterfeuerwerk 1958 als Kriegsschauplatz beschrieben. Die Männer der Camorra-Familien versuchen, sich Böllern und Raketen zu übertrumpfen. Zum Ende wird scharf geschossen. »Vor uns hat es schlimme Dinge gegeben, unsere Väter haben sich auf die eine oder andere Weise nicht korrekt verhalten, wir wollen das von nun an im Kopf behalten und zeigen, dass wir Kinder besser sind als sie". "Besser?" erkundigte sich Rino interessiert. "Besser", sagte ich. "Das ganze Gegenteil der Solara-Brüder, die noch schlimmer sind als ihr Großvater und ihr Vater." Ich redete hitzig, auf Italienisch, als wäre ich in der Schule« Lenú beschreibt sich in späteren Jahren als pummlige Brillenschlange, empfindet sich als hässlich. Aus Lila ist hübscher Teenager geworden, den alle Jungen umschwärmen. Aber sie ist zickig, manipulativ, will sich nicht mit dem Leben in der Schusterwerkstatt abfinden. Sie hat, was Lenú nicht hat! Sie darf arbeiten, sie ist beliebt und sie hat einen Freund, den Sohn des reichen Lebensmittelhändlers, Lenú neidet ihr dieses Leben, das sie als Freiheit empfindet. Lenú darf weiter zur Schule gehen, kommt in die Oberstufe, ein Leben das ihr nicht gefällt, sie aber zum Ziel bringt. Sie hat das, was die launische Lila nicht hat, Bildung. Lila richtet sich in ihrem Leben ohne Bildung ein, sie will nun reich werden. Der junge Intellektuelle Nino Sarratore, ein Kommunist, versucht, Lenú etwas über Faschismus und Diktatur beizubringen, über Sozialismus, was ihr in der katholischen Schule Ärger bringt, als sie einen Aufsatz darüber schreibt. Der erste Band der endet mit Lilas Hochzeit. Beide Mädchen sind sechzehn. Auch hier zeigt sich Lila in den Vorbereitungen mürrisch und herrisch, kümmert sich um rein gar nichts, überlässt Lenú die Organisation. Beide haben auf ihre Weise ihr Ziel erreicht, der Armut zu entkommen, die eine mit Bildung, die andere durch ihre Hochzeit. Erzählerisch stark, selbst in kleinen Nebenfiguren, denen Ferrante Profil einhaucht, ist dieser erste Teil der Romantetralogie weit mehr als die Geschichte einer Frauenfreundschaft. Es ist die Geschichte Napolis der Nachkriegszeit, mit allen Facetten der Gesellschaft. Krankheit, Armut, Analphabetismus, Camorra, Kirche und Kommunismus, Frauenrechte; weit mehr als Don Camillo und Pepone zu bieten hatten. Wer ist Elena Ferrante? Wer verbirgt sich hinter dem Pseudonym? Eine Frage, die ich mir nicht stelle, es ist mir wurscht. Ob Sie eine Literaturprofessorin aus Neapel ist oder eine Schustertochter, ändert nicht, dass sie hervorragend erzählen kann. Wo ist der Respekt der Leser, der Presse? Sie möchte nicht in die Öffentlichkeit treten. Belassen wir es dabei und freuen uns auf die nächsten Bände. Teil 1: Meine beste Freundin Teil   3   Die   Geschichte   der   getrennten   Wege   -   Band   3,   Neapolitanische   Saga von Elena Ferrante zeitgenössische Romane Krims und Thriller Historische Romane Fantasy, Fantastic, SciFi, Utopien Dystopien Sachbücher (für jedermann) Kinder- und Jugendliteratur
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