Autorin
Sabine Ibing
Interview mit
Ingrid Schmitz
(von Sabine Ibing)
Ingrid Schmitz wurde 1955 in Düsseldorf geboren und wohnt in
Krefeld. Als Speditionskauffrau arbeitete sie für eine kanadische
Reederei und später im sowjetischen Außenhandel. Mit Geburt
ihrer Tochter entschied sie sich, sich vorerst der Kindererziehung
zu widmen. Die tödliche Stille auf dem Land inspirierte sie zum
Schreiben. Bisher sind von Ingrid Schmitz circa sechzig
Krimikurzgeschichten, fünf Kriminalromane, sechzehn
Anthologien und zahlreiche Ebooks und Hörbücher erschienen.
http://krimischmitz.de/
S. I.: Du schreibst viele Kurzgeschichten und gibst Krimi-
Anthologien heraus. Die Neueste heißt »Suche Trödel, finde
Leiche! »Wie kamst du auf die Idee und was reizt dich an
Shortstorys?
I. S.: Shortstorys sind die Königsdisziplin für Autoren. Zunächst
erscheinen sie simpel, aber wenn man für eine raffiniert
ausgetüftelte Geschichte nur zehn bis fünfzehn Seiten zur
Verfügung hat und zudem sein Personal vorstellen muss, kann es
schon mal eng werden. Nicht alle Romanautoren sind auch gute
Kurzgeschichtenerzähler, oder wagen sich erst gar nicht an diese
Erzählform heran.
Für mich sind Kurzgeschichten die Schokoladenstückchen in der
Torte des Geschichtenerzählens. Mit Shortstorys habe ich als
Autorin begonnen und reichlich üben können, alles auf den Punkt
zu bringen. Besonders die letzte Wendung am Schluss bereitet
mir eine große Freude.
Die Idee zu meiner letzten Anthologie «Suche Trödel, finde Leiche»
hatte ich, als ich mir für meine Serienfigur ein neues Romanthema
ausgedacht habe. Da sie auch Trödelmarkthändlerin ist und ich
noch nie eine Trödelmarktanthologie herausgegeben hatte, lag
es plötzlich so nah, es mal zu tun.
S. I.: Ingrid, deine Krimis gehören zur seichten Klasse, wie
würdest du deine Storys einordnen? Du brauchst kein Blut, denn
deine Ideen sind ausgefallen.
I. S.: Meine Storys nenne ich heiter-ironisch. Ob sie humorvoll
sind, müssen die Leser entscheiden. Es gibt da einen Spruch: «Ich
habe einen simplen Humor. Wenn ich lache, war es lustig.» Sicher
kann man es nicht allen Recht machen, aber das ist auch nicht
mein Ziel. Wenn ich ab und zu eine positive Rückmeldung
bekomme und mitbekomme, wie sich mein Fankreis langsam
erhöht, bin ich schon zufrieden.
Blutrünstig war ich noch nie. Bin eher ein harmoniesüchtiger
Mensch. Man darf mich nur nicht ärgern, dann … kann es sein -
dass diejenige oder derjenige - eine kleine Nebenrolle in meinem
Buch bekommt. Was aber keinesfalls erstrebenswert ist.
S. I.: Du hast mal gesagt, du würdest niemals Arztromane
schreiben wollen. Wie wäre es mit Mutti-Romanen oder Julia-
Romanen (die Liebesgeschichten mit Grafen und Baronen)?
I. S.: Nun, das kann ich ernsthaft beantworten. Zunächst einmal
habe ich großen Respekt vor den AutorInnen, die sich diese
Geschichten ausdenken. Das ist bestimmt nicht so einfach und
trivial, wie man oberflächlich meinen könnte.
Der Krimi ist manchmal gar nicht so weit davon entfernt. Meistens
ist die Lovestory ein Hintergrundthema von mir und meine
Protagonisten kämpfen «zwischendurch» auch mit
Alltagsproblemen. Zugegeben, ein Graf taucht eher selten auf.
Auf den Mörder oder die kriminelle Bedrohung würde ich aber
aus Spannungsgründen nicht verzichten wollen.
S. I.: »Currywurst & Dolce Vita - Didi und Hasi, die Auswanderer
vom Gardasee«, die Biografie zweier Auswanderer, die am
Gardasee eine deutsche Pommesbude aufgemacht haben. Du bist
damals hingefahren, hast dir die Geschichte erzählen zu lassen.
Seid ihr in Kontakt geblieben? Brutzeln sie immer noch am Strand?
I. S.: Ja, wir haben immer noch Kontakt, obwohl sich bei den
beiden sehr viel getan hat. Es ist kein Geheimnis, da es bereits
von VOX ausgestrahlt wurde: Didi und Hasi gibt es in dem Sinne
nicht mehr. Sie haben sich getrennt. Didi ist zu seiner Freundin in
die Nähe von Frankfurt gezogen und Hasi steht weiter tapfer im
Imbisswagen am Gardasee und verkauft Currywürste.
Ich halte weiterhin den Kontakt zu Hasi und wer weiß, vielleicht
findet sie ja bald einen neuen Partner – aber das ist dann eine
andere Geschichte.
S. I.: Mit Mia Magaloff hast einen Serienkrimi laufen. In
»Liebeskiller« beschreibst du die Thematik des Scammens.
Scammer übersetzt man mit Schwindler, Betrüger, to scam,
betrügen, über den Tisch ziehen. Bitte erkläre uns den Begriff
Love-Scammer.
I. S.: Den Begriff hast du ja bestens erklärt. Es geht um
Liebesbetrüger im Internet, die sich über privaten Chat bei den
Frauen melden und Ihnen Komplimente machen. Sie schreiben
ihnen regelmäßig und sind sehr aufmerksam, gestehen
irgendwann ihre Liebe und machen die Frauen so emotional
abhängig. Bis die Scammer sich sicher sein können, dass ihre
Lieben – ihre Freundinnen - soweit gehen, dass sie auch bereit
wären, ihnen Geld zu schicken. Meist erfinden sie haarsträubende
Geschichten. Sie seien ein Diebstahlopfer geworden, lägen im
Krankenhaus und müssten teure OP-Kosten bezahlen, oder
können die Flugkosten zu ihnen nicht bezahlen, Zollkosten für ein
wertvolles Päckchen, dass sie abgeschickt haben, sollen
vorgestreckt werden.
Anfangs habe ich darüber gelacht und mich gefragt, wie blöd
man eigentlich sein muss, wenn man darauf hereinfällt. Aber
dieser Prozess ist schleichend. Immer mehr vereinnahmen die
Scammer ihre Opfer. Meistens leben die Betrüger im Ausland und
schreiben von verschiedenen PCs aus dem Internet-Café.
Deshalb sind sie nicht ausfindig zu machen.
S. I.: Im Second Life führst du ein Doppelleben, du selbst nennst
dich in diesem virtuellen Raum Sameja Lomba, die eine
Krimiautorin ist. Was ist Second Life? Was ist interessant an der
virtuellen Welt?
I. S.: Im Second Life wäre ich zwar noch zu finden, da Avatare
nicht sterben können und meine Sameja Lomba irgendwo auf
mich wartet – aber es haben sich immer mehr User
zurückgezogen, weil das reale Leben Vorrang hat. So auch bei
mir. Ich müsste mich wieder neu reindenken. Seit 2012 hat sich
bestimmt eine Menge getan. Im Moment stehen jedoch wichtigere
Projekte im realen Leben an.
S. I.: Du hast es geschafft, deine Serienfigur Mia Magaloff virtuell
»real« werden zu lassen. Sie führt den Leser zum Tatort oder zu
den im Buch beschriebenen Orten oder Protagonisten und
chattet mit den Büchernarren. Dies ist eine andere
Kommunikation mit den Lesern, nicht der Autor, sondern der
Protagonist hat das Wort. Wird die Form angenommen?
I. S.: Diese Form wurde sehr gut angenommen. Allerdings ist der
Second Life-Hype vorbei. Den Tatort gibt es in dieser Form nicht
mehr. Das virtuelle München, in dem ich mein gesponsertes Krimi-
Café hatte, ist abgebaut worden. Ich denke aber, dass es in
anderer und spannenderer Form wiederkommen wird. Gerade
jetzt ist das virtuell Reale im Gespräch. Demnächst hat man
wahrscheinlich das Gefühl, im Internet abzutauchen und sich
selbst darin zu bewegen. Stichwort Cyberbrillen.
S. I.: In »Spiekerooger Utkieker«, Neues von Mia Magaloff, geht
es um die Thematik Handysucht und um ein besprochenes
Abnehmwasser, an das man erst glauben muss, bevor es wirkt.
Erzähle uns davon.
I. S.: Mir lag das Thema Handysucht sehr am Herzen. Überall
laufen die Menschen mit ihren Handys herum. Im Restaurant sitzt
man sich schweigend gegenüber und schaut auf das Display,
chattet, lädt herunter oder stellt ein. Katastrophal wird es, wenn
es einen Unfall gegeben hat und die Schaulustigen ihre Handys
zücken und die Opfer fotografieren, oder sogar Filme von ihnen
drehen und ins Netz stellen, nur damit sie damit Geld verdienen
können oder Klicks bekommen.
Leider werden es immer mehr Handybesessene. Diejenigen, die
noch zu retten sind, möchte ich nachdenklich machen. Deshalb
habe ich die beiden Jugendlichen erfunden, mit ihrer ganz
eigenen Sprache. Nicht, weil ich alle über einen Kamm scheren
will, sondern um übertreiben zu können, damit es deutlicher wird.
Beim Abnehmwasser geht es um das Thema Leichtgläubigkeit. Wir
lassen uns so viel auf die Nase binden - und zahlen auch noch
Geld dafür. Auch hier wieder maßlose Übetreibung – obwohl,
wenn ich mir die Werbung so mancher Diätmittelchen anschaue,
ist es gar nicht soweit hergeholt.
S. I.: Du bist auch als Literaturagentin tätig. Welche Bereiche
vertrittst du?
I. S.: Natürlich den Bereich Kriminalroman. Im Moment habe ich
aber genügend Autoren. Ich vermittel sozusagen «privat», weil
ich gute Kontakte zu Verlegern und Lektoren habe. Ab und zu
suche ich für einen Print-on-Demand Verlag noch Reisebuch- und
oder Kochbuch-Manuskripte mit Reisegeschichten.
S. I.: Schriftsteller dienen als Seismografen politischer und
gesellschaftlicher Prozesse. Bist du meiner Meinung? Wie
definierst du deine Krimis in diesem Sinn?
I. S.: Sicher, das geschieht unwillkürlich, wenn man realitätsnah
schreibt. Jedoch liegen mir politische Thriller fern. Darüber
möchte ich nicht schreiben, weil mir dazu die Hintergründe fehlen
und manchmal auch das Verständnis.
Was die gesellschaftliche Entwicklung angeht, so ist die an meiner
Serienfigur durchaus zu spüren. Im Laufe der Jahre – der erste
Roman erschien 2006 – hat sie eine immense Entwicklung
durchlebt. Sie versucht immer auf dem neuesten Stand zu sein
und ist neugierg auf ALLES, was die großen Themen Second Life,
Lovescammer, Handysucht, Werbelügen beweisen. Auch was ihr
Privatleben und das Liebesleben angeht, so spiegelt sie immer
wieder die Gesellschaft wider oder ist ihr einen Schritt voraus.
S. I.: Bei Stieg Larsson weiß man nach der Lektüre ganz genau,
was er vom Kapitalismus hält. Was weiss man über dich, nach der
Lektüre deiner Krimis?
I. S.: Dass ich mir Gedanken über gesellschaftliche Themen
mache und mit offenen Augen durchs Leben gehe – dass ich auf
Kleinigkeiten achte und mir Gefühle wichtig sind und ich
harmoniesüchtig bin. Reicht das?
S. I.: Peter Handke schreibt mit Bleistiften, deren Stummel er,
nach Büchern sortiert, aufbewahrt. Hast Du eine ähnliche
Marotte?
I. S.: Außer, dass ich Büromaterial horte, Kulis und alte Füller
sammle – nein, das ist nicht wirklich eine Marotte, oder? Doch,
jetzt fällt mir was ein: Sobald ich einen Roman veröffentlicht habe,
kaufe ich mir einen schönen farbigen Ordner und stelle ihn für
den nächsten Roman beiseite.
S. I.: Was gibt es Neues aus deiner Autorenfeder und wo finden
wir die Termine zu deinen Lesungen?
I. S.: Im Herbst 2017 wird es einen neuen Kriminalroman geben –
ohne Mia Magaloff. Im Sommer 2018 gibt es dann ein neuen Mia
Magaloff-Roman und „zwischendurch“ Krimikurzgeschichten vom
Niederrhein.
S. I.: Vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen.
I. S.: Ich danke für die spannenden Fragen.
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