Autorin
Sabine Ibing
Nadine Lashuk, 1984 geboren, hat Politik- und
Osteuropawissenschaften studiert und kam 2006 zum ersten Mal
nach Minsk, um dort in der EU-Außenstelle zu arbeiten. Bis 2014
lebte sie mit einer zweijährigen Unterbrechung in der
weißrussischen Hauptstadt. Inzwischen ist sie mit ihrem Mann
und den gemeinsamen Kindern ins Ruhrgebiet, nach Essen,
zurückgekehrt, wo sie als Projektmanagerin gearbeitet hat.
Derzeit macht sie eine Ausbildung zur Onlineredakteurin.
S.R.: Nadine, du hast ein Buch herausgebracht, »Liebesgrüße
aus Minsk«, das sich nicht in eine Schublade pressen lässt. Auf
der einen Seite ist es eine Teilautobiografie, auf der anderen
Seite ein Reisebericht und eine anschauliche Berichterstattung
über Land und Leute von Belarus (Weißrussland), eben eine
Liebeserklärung an dieses Land. Das Buch ist sehr intim, denn du
berichtest über deine Familie. Weshalb hast du diese Form
gewählt?
N.L.: Das Buch ist aus meinem Blog http://nadinelashuk.de
entstanden, den ich vor sechs Jahren begonnen habe. Natürlich
habe ich ausgewählt, was im Buch erscheint und was nicht. Mir
war es wichtig, einerseits Reisetipps zu geben, aber auch meine
persönliche Sicht auf das Land darzustellen. Und diese Sicht ist
natürlich mit meiner Familie verbunden.
S.R.: Wie haben deine Schwiegereltern und deine Eltern auf das
Buch reagiert? Kannten sie vor der Veröffentlichung das
Manuskript? Wollte jemand noch etwas herausgestrichen
haben? Wer wollte dich am liebsten vierteilen?
N.L.: Meine Schwiegermutter ist Germanistin und hat das Buch
gelesen und freigegeben. Meine Schwiegereltern sind stolz, dass
ihre Schwiegertochter ein Buch veröffentlicht hat und dass
dieses Buch eine Liebeserklärung an ihr Land ist.
Mein Mann hat das Buch selbstverständlich zuerst gelesen und
hat vor allem geschaut, dass keine sachlichen Fehler darin
vorkommen. Auch er ist mit dem Buch glücklich. Bisher wollte
mich noch niemand vierteilen.
S.R.: Ich habe viel gelacht beim Lesen. Du bist eine Frau mit sehr
viel Humor. Ist es vielleicht genau das, was euch so
zusammenhalten lässt, nicht alles so verbissen zu sehen?
N.L.: Ich denke, eine gehörige Portion Humor hilft in allen
Lebenslagen. Aber in einer binationalen Ehe ist es natürlich auch
hilfreich, wenn man mit einem Minimum an interkultureller
Kompetenz ausgestattet ist.
S.R.: Sag mal, liegt bei dir wirklich immer ein Huhn im
Kühlschrank? Frisch oder gefroren?
N.L.: Kein ganzes. Aber ich habe immer Hühnerfleisch im
Kühlschrank, um schnell eine Hühnersuppe zuzubereiten. Hilft in
vielen Lebenslagen!
S.R.: Wie sieht bei euch zu Hause die Mahlzeitgestaltung aus?
Welche Küchenrichtung wird bevorzugt?
N.L.: Ganz gemischt: Belarussisch, deutsch, mediterran,
exotisch. Mein Mann kocht allerdings immer den Buchweizenbrei,
ich mag den Geruch nicht. Für mich riecht das nach gekochten
Pflastern.
S.R.: Bei dem Rezept der Pizza mit Majobelag hat es mich
geschüttelt. Gibt es das bei euch zu Hause hin und wieder?
N.L.: Nein, aber ich bestelle sie ab und an mal in Minsk.
Schmeckt insbesondere in Kombination mit sauren Gurken sogar
ganz gut!
S.R.: Ihr wohnt nun wieder in Deutschland. In deinem Buch
schilderst du deine Schwierigkeiten in Belarus, auch die einer
Schwiegertochter. Deinen Mann lässt du außen vor. Der hatte
sicherlich auch Probleme mit dem Leben in Deutschland, mit den
Schwiegereltern? Womit kann man ihn am meisten nerven?
N.L.: Er ärgert sich, dass die Deutschen sich immer beschweren.
Er sagt, es wird immer nur geschimpft und lamentiert. Eigentlich
hat er da Recht, wenn man mal ein bisschen kritisch so eine
Unterhaltung bei Tisch verfolgt.
S.R.: Du hast mir verraten, die Sicht deines Mannes wird im
nächsten Buch zum Tragen kommen. Schreibt er das oder
schreibst du es? Liebesgrüße aus Essen? Berichte uns darüber.
N.L.: Bisher ist noch nichts Konkretes geplant ;-).
S.R.: War es schwierig für euch, zurück in Deutschland, wieder
eine Arbeitsstelle zu finden?
N.L.: Ja, vor allem für mich, und das ist es immer noch. Ich bin
Politologin mit Osteuropabezug und suche eine Stelle im
Ruhrgebiet. Das ist quasi unmöglich. Mein Mann als Jurist hat es
da ein wenig leichter.
S.R.: Dein Traum wäre es, Agrartourismus in Belarus ins Leben
zu rufen. Was fasziniert dich an dieser Idee? Gibt es überhaupt
die Möglichkeit für Touristen, Belarus zu besuchen?
N.L.: Belarus hat so viel unentdecktes Potenzial und eine Menge
zu bieten, gerade die unberührte Natur und das ursprüngliche
Leben. Auch die Tourismusbehörde hat das jetzt entdeckt und ist
dabei, die Einreise für Ausländer enorm zu erleichtern. Bei einer
Anreise mit dem Flugzeug braucht man für Kurztrips schon kein
Visum mehr.
S.R.: Gibt es einen Unterschied zwischen Belarus, das ja eine
Diktatur ist, und Russland? Ist der Menschenschlag sehr
verschieden?
N.L.: Welches politische System Russland nun hat, ist sicher ein
Thema für ein anderes Buch. Ich denke, dass Belarussen und
Russen sich durchaus ähnlich sind. Allerdings sind Belarussen
manchmal phlegmatischer und nicht so schnell aus der Ruhe zu
bringen. Und sie sind sehr korrekt und pünktlich.
S.R.: Du machst gerade eine Ausbildung zur Onlineredakteurin.
Warum?, findet man mit dem Studium der Politik- und
Osteuropawissenschaften keinen Job? Oder ist das ein Aufbau?
N.L.: Wie oben beschrieben, ist es hier im Ruhrgebiet nicht so
einfach. Und die Betreuungssituation für unsere Kinder ist
katastrophal. Also möchte ich mich weiterbilden und mir flexible
Möglichkeiten offenhalten. Und natürlich den Blog
professionalisieren…
S.R.: Eigentlich wolltest du nach dem Studium »Weltpräsidentin«
werden. Meine Stimme hast du. Warum ist daraus nichts
geworden?
N.L.: Ich war auf dem besten Weg und hatte schon die Zusage
für den Job bei der EU in Brüssel. Dann fand eine
Sachbearbeiterin heraus, dass mir vier Monate Berufserfahrung
fehlten, bevor ich den Aufnahmetest gemacht hatte. Damit war
ich aus dem Verfahren nachträglich ausgeschieden. Absurd,
aber typisch EU, muss ich leider sagen.
S.R.: Wie lautet dein Widerspruch zu dem Trostlossatz »Alle
Politiker sind korrupt«?
N.L.: Hier passe ich.
S.R.: Was ist aus deiner Sicht die wichtigste Herausforderung für
Belarus in den nächsten Jahren?
N.L.: Ganz sicher die Reform des Wirtschaftssystems. Da muss
sich eine Menge tun.
S.R.: Schriftsteller dienen als Seismografen politischer und
gesellschaftlicher Prozesse. Wie siehst du deine Aufgabe als
schreibende Politikwissenschaftlerin?
N.L.: Ich sehe meine Mission darin, der Welt zu zeigen, dass es
ein wundervolles, kleines Land an der Grenze zur EU gibt, das
kaum jemand kennt. Es lohnt sich, dieses Land kennen zu
lernen.
S.R.: Kannst du mit dem klassischen Heimatbegriff etwas
anfangen?
N.L.: Ich denke schon. Ich bin in meinem Heimatstadtteil tief
verwurzelt und fühle mich dort zu Hause. Aber ich sehe Belarus
durchaus als meine zweite Heimat.
S.R.: Ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen.
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Nadine Lashuk
(von Sabine Ibing)