Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Historische Romane
Rezension
Kriegsfeuer 1813
von Sabine Ebert
Hörbuch, 26 Stunden, 24 Minuten
gesprochen von Doris Wolters
Sabine Ebert hat sich an die geschichtlichen Ereignisse des Jahres 1813 in
Sachsen herangewagt, die letztendlich in der großen Völkerschlacht vor
den Toren Leipzig im Oktober endeten und Napoleons Untergang
einleiteten. Nachdem Napoleon das Kurfürstentum Sachsen in einem
erbitterten Krieg besiegte, trat es dem Rheinbund bei und wurde 1806 von
Napoleon unter seiner Führung zum Königreich Sachsen erhoben. Kurfürst
Friedrich August III. stieg zum König von Sachsen auf. Sachsen profitierte
mit seinen Manufakturen und wegen der von England verhängten
Kontinentalsperre konnte Sachsens Textilindustrie den großen Bedarf an
Kriegsuniformen decken. Napoleon hatte den Krieg gegen Russland
verloren und befand sich auf dem Rückzug. Russland, Preußen, Österreich
und Schweden verbündeten sich gegen Napoleon Bonapart, dem der
Sachsenkönig aber treu zur Seite stand. Der Preußenkönig hatte vor, ein
vereinigtes Deutsches Reich zu gründen, was dem Sachsen nicht schmeckte,
der auf ein Bündnis mit Österreich hoffte. Italien und Spanien stand
Napoleon bei. 1813 kämpften in Sachen in kleinen Scharmützeln die Heere
allerorts gegeneinander, denn die Alliierten waren nicht in der Lage
Einigkeit zu zeigen und sich zu sammeln. Es sah so aus, als hätte Napoleon
die Vormachtstellung gehalten. Sachsen wollte nicht zu den Alliierten
überlaufen. Allerdings gab es einige Offiziere, die nicht mit ihrem König
konform gingen. Auch das Volk war der Franzosen überdrüssig, da
Napoleon mittlerweile das Land ausblutete und die Männer in den Krieg
beorderte. So bildeten sich Widerstandsgruppen, die vom Volk unterstützt
wurden, die Preussischen Freischärler und die Lützower Jäger. Am Ende
formierten sich die Alliierten und eine blutige Schlacht vor den Toren von
Leipzig beendete die napoleonische Fremdherrschaft. Sächsischen Truppen
liefen zum am Ende zum «Feind» über, wobei sie auch ein wenig an der Nase
geführt wurden. Mit bis zu 600.000 beteiligten Soldaten aus über einem
Dutzend Ländern wurde dies die größte Schlacht der Weltgeschichte vor
Beginn des 20. Jahrhundert. 100.000 Tote und noch mehr Verletzte, dazu die
Toten und Verletzten aus den kleinen Schlachten im Vorfeld, Sachsen am
Abgrund, ausgeplündert von sämtlichen Truppen, der König in Berlin in
Haft. Sachsen musste mehr als die Hälfte seines Territoriums an die
verhassten Preußen abgeben, die Neuaufteilung Europas war
geschaffen. Und genau diesen ganzen Ablauf beschreibt Sabine Ebert
fast minutiös.
Die Hauptprotagonistin ist die junge Henriette aus einer
Buchbinderfamilie, die mit dem Bruder zu Onkel und Tante flieht. Der
Onkel ist Drucker, besitzt auch einen Buchladen. Er wird von der
jeweiligen Obrigkeit, die hin und wieder wechselt, beauftragt, Aufrufe,
Plakate und sonstiges zu drucken, ebenso die Tageszeitung. Pressezensur
und Buchzensur, ein wichtiges Thema im ersten Teil. Die Franzosen fallen
in den Ort ein und logieren in den Bürgerhäusern, auch beim Onkel,
benehmen sich aber recht sittsam und bezahlen. Man muss aufpassen
was man sagt, um nicht den Verdacht eines Widerständers zu
hinterlassen. Der Onkel verdient nicht schlecht daran, druckt
Wörterbücher und Ratgeber, wie man mit dem Franzos kommunizieren
solle, wie man ihn bedienen solle, Literatur und Poesie wird immer an die
jeweiligen Herrscher angepasst. Die Familie hofft, dass der Sachsenkönig
zu den Alliierten überläuft. Jette hilft dem Onkel im Laden und macht
Freiwilligendienst im Lazarett. Täglich rollen Verletzte aus den diversen
Schlachten an. Sehr eindringlich beschreibt Sabine Ebert die Arbeit im
Lazarett, das ganze Buch durchgängig: Abgerissene Arme und Beine,
Löcher in den Bäuchen, Operationen ohne Betäubung, Mangel an
Medikamenten, Verbandsmaterial, an Betten und Decken … Jetzt endlich
kann Jette nur Trost spenden, bis die Seele den Leib verlässt. Später gibt
es Ereignisse, die Henriette dazu veranlassen, allein nach Leipzig zu
gehen. Hier erlebt sie die letzte Schlacht hautnah. Ein Schachzug der
Autorin, damit Henriette am Geschehen bleibt, der aber etwas
unglaubwürdig daherkommt.
Andere Protagonisten berichten aus ihrer Sicht die Lage: Junge Männer,
fast Kinder, die sich für das Vaterland einsetzen, etwas erleben wollen,
gefallene Brüder rächen wollen. Manche landen in Armeen, andere bei
den Freischärlern. Es gibt auch Offiziere, die von den Streitereien der
obersten Befehlshaber der Alliierten berichten oder von kurzsichtigen
Generälen, die Freund und Feind verwechseln. Friedrich von Colomb,
Rittermeister des Preußischen Husarenregiments schlägt sich auf die Seite
Freischärler, für mich der eindrucksvollste Protagonist. Alle einzelnen
Schlachten und Scharmützel werden chronologisch benannt. Auch
Napoleons Sicht wird aufgezeigt. Es gibt eine Menge Protagonisten und
noch mehr Information. Das ist das Manko an dem Buch. Es ist ein Spagat
zwischen Sachbuch und Roman. Selbstverständlich verflachen die
Protagonisten bei der Menge an Ereignissen und Personen und manch ein
Leser wird sich überfordert fühlen. Man muss sich gewaltig konzentrieren,
um nicht den Faden zu verlieren. Wer davor nicht zurückschreckt, dem
wird dies Buch gefallen. Hut ab, vor der Recherchearbeit der Autorin, hier
hat sie Gewaltiges geleistet.
Die Autorin beschreibt den Krieg von mehreren Seiten, aus Sicht der
gebeutelten Bevölkerung, aus Sicht des einfachen Soldaten, Freischärlers
und aus Sicht der Befehlshaber, die sich nicht um die Zivilbevölkerung
scheren, nur ihre eigenen Interessen verfolgen. Genau das macht die
Geschichte sympathisch und spannend. Die Sinnlosigkeit und Krieg und das
Abschlachten von Menschen zu bestimmten Zwecken wird anschaulich
dargestellt. Da werden ein paar Tausend Soldaten als Bollwerk hingestellt,
um eine Stellung zu halten, obwohl von vorn herein klar ist, dass kaum
einer überleben wird. Eindringlich beschreibt sie, wie die Zivilbevölkerung
nicht mehr weiss, wo man Verletzte unterbringen soll, wie Verletzte bei
Kälte und Regen auf den Straßen herumliegen, weil jede Kulturstätte,
jedes Handelsforum schon beschlagnahmt und in Lazarette umgewandelt
wurden. Zum Ende bezahlen die herumziehenden Heere nicht mehr, sie
nehmen sich, was sie wollen, plündern, Leipzig ist das Chaos selbst, bis
zum letzten Krümel ausgeraubt. Mir hat das Buch bis zu Jettes Aufbruch
nach Leipzig sehr gut gefallen. Der schlitzohrige Onkel, der in seiner
Druckerei versucht, seinen Teil zur Befreiung zuzugeben und sich der
Zensur nicht unbedingt beugen mag. Henriettes Weg nach Leipzig und
ihren Aufenthalt dort fand ich ein wenig konstruiert. Aber gut, die große
Schlacht fand dort statt.
Ein Fehler ist Frau Ebert unterlaufen. Sie behauptet, es wäre die letzte
Schlacht Napoleons auf deutschem Boden gewesen. Das ist falsch. Auf
dem Rückweg nach Frankreich stellte sich der Bayer Wrede dem
Franzosen entgegen. Er wollte Frankfurt schützen, bzw. den Alliierten
zeigen, auf welcher Seite er steht. In der Schlacht bei Hanau gewann
Napoleon ein letztes Mal und nochmal 6.000 Franzosen 9.000 Verbündete
gingen in den Tod. 10.000 Gefangene machte Wrede allerdings,
entkräftete, verlotterte Soldaten aus Napoleons Armee.
Alles in allem ein wunderbares Buch, das ich jedem
Geschichtsinteressierten empfehlen mag.
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