Autorin
Sabine Ibing
»Etwa jede vierte Frau und jeder fünfte Mann in Deutschland hat
einer Gesundheitsstudie zufolge bereits psychische Gewalt erlebt.«
Gewalt (insbesondere in der Partnerschaft) ist das Thema dieses
Sachbuchs. Die Journalistin Simone Schmollack hat recherchiert
und mit Opfern gesprochen. Ein komplexes Thema mit
verschiedenen Ansätzen.
»Menschen, die andere beharrlich belästigen, sie anrufen, ihnen
schreiben, in ihrem Namen oder für sie Waren bestellen, machen
sich strafbar. Doch das interessiert Martin nicht.«
Das Buch ist in Kapitel eingeteilt, die sich mit den verschiedenen
Facetten von Gewalt befassen, ein typisch journalistisches Buch.
Häusliche Gewalt, Polizeieinsatz, Strafrecht, Stalking, Psychoterror
digitale Gewalt, Zwangsehen, Notunterkünfte, Gewalt zwischen
älteren Paaren, seelische Gewalt, auch an Kindern in
Scheidungsverfahren, Frauenhäuser, Gewalt an Männern, Nein
heißt Nein. Ein riesiges Feld für ein schlankes Buch.
»Sie tarnt sich als ›Scherz‹: Was bist du für ein Mimöschen. Mann,
ist das leicht, dich zu erheitern. Von einer Frau ist nichts anderes
zu erwarten.«
Es beginnt mit Schmeichelei, Verführung, inbrünstigen
Liebesschwüren und dann folgt die Degradierung, geht weiter in
Beschimpfungen, Beleidigungen, der Täter macht sein Opfer
gefügig. Zum Schluss folgt körperliche Gewalt. Danach: Der Täter
heult, entschuldigt sich, will das nie wieder tun, liebt doch den
Partner. Einer Ohrfeige folgt die nächste und es kann viel
schlimmer werden. Das Opfer: Aber eigentlich ist er (manchmal
auch sie) ganz lieb, nur hin und wieder … er liebt mich doch.
Simone Schmollack lässt eindringlich Opfer zu Wort kommen.
»Weil sie einen feindseligen Mann hatte, der sie mit zersetzenden
Methoden kleiner und kleiner gemacht hatte, bis sie drohte, sich
aufzulösen.«
Mir hat an diesem Buch gefallen, dass klargemacht wird, dass nicht
der erste Schlag den Beginn der Gewalt markiert, sondern dass die
Geschichte viel früher beginnt. Gewalttäter erniedrigen und üben
auf andere Weise Gewalt aus, sie wollen ihr Opfer kontrollieren.
Wo gehst du hin, wann kommst du wieder, mit wem triffst du dich?
Verbale Kontrolle bis hin zu Trackern, die auf Rechner und Handy
gelegt werden, um zu wissen, wo das Opfer sich befindet, was es
schreibt. Blinde Eifersucht, Misstrauen bis hin zu Verboten an das
Opfer, dies oder das zu tun, sich mit jenem zu treffen. Gewalt
endet auch nicht unbedingt mit der Trennung. Stalking per
direktem Kontakt, Telefon, soziale Netzwerke, es geht weiter.
Manch ein Stalkingopfer weiß nicht einmal, von wem es verfolgt
wird. Genau das ist Gewalt, psychische Gewalt! Die Gewalt beginnt
nicht erst mit einem Schlag!
»Die Übergriffe sind so vielfältig wie bei Frauen ohne
Migrationshintergrund. Sie reichen von Ohrfeigen, Prügeln, Treten
und Zwang zum Sex durch den Ehemann sowie andere
nahestehende Personen bis hin zu Menschenhandel und
Zwangsprostitution.«
Schmollack stellt fest, dass Frauen mit Migrationshintergrund
besonders stark betroffen sind, da durch andere Sitten und
Vorstellungen zur Rolle der Frau noch weitgreifender Gewalt
ausgeübt wird. Zwangsehen, auch mit Minderjährigen ist die erste
Stufe. Hier werden zwei verheiratet, oft mehr oder weniger noch
Kinder, die es miteinander aushalten müssen. Beide Partner stehen
unter Druck. Mädchen geraten unter die Fuchtel der
Schwiegermutter. Aber schon vorher hat die eigene Mutter
genügend Gewalt ausgeübt, damit eine Hochzeit überhaupt
stattfinden konnte. Ganze Familien sind am Szenarium beteiligt.
Gewalt im Alter von Menschen im sozialen Nahbereich wird
angesprochen. Manche Opfer halten Gewalt über Jahrzehnte aus.
Und andere Alte erfahren Gewalt durch überlastete Partner,
Betreuer. Ertragen durch Abhängigkeit, ein anderes Thema, das
Drohen, die Kinder wegzunehmen, Haus und Hof. Überhaupt, die
Kinder, die mit ansehen, hören müssen, was passiert, was gesagt
wird, eventuell selbst Schläge erhalten, Kinder, die dem Gezanke
der getrennten Eltern ausgesetzt sind, erpresst und als Spitzel
missbraucht werden.
»Entgegen der allgemeinen Annahme, ältere Kinder könnten
Gewalterfahrungen besser verarbeiten als jüngere, zeigen
Untersuchungen, dass das nicht stimmt.«
Was macht Gewalt mit der Psyche eines Menschen, wie wirkt sie
sich auf den Körper aus? Gewalt gegen Männer? Es gibt mehr, als
man denkt. Es gibt auch prügelnde Frauen, aber die meisten
machen es viel subtiler: Degradierung. Das Buch gibt einen guten
Überblick, insbesondere die vielen persönlichen Berichte gehen
unter die Haut, machen klar, worum es geht. Am Ende findet man
Adressen und Telefonnummern, Literaturempfehlungen für
diejenigen, die sich tiefer mit der Materie befassen wollen. Das
Buch ist ein Rundumschlag, Einstiegsliteratur. Die Gründe, warum
jemand gewalttätig ist oder warum er zum Opfer wird, werden nur
kurz gestreift. Dazu ist das Thema zu groß. Wer sich grundsätzlich
mit dem Thema Gewalt befassen möchte, liegt richtig. Wer
betroffen ist oder jemanden kennt, dem Gewalt widerfährt, findet
hier vielleicht den Anstoß, aus der Spirale auszusteigen, zu
verstehen, wie alles zusammenhängt. Man kann es schaffen, auch
das ist hier zu lesen. Die ersten Anzeichen richtig zu deuten und es
nicht bis zum Schlag, bis zum Krankenhaus kommen zu lassen, das
wäre der erste Schritt. Das ist genau aufgeführt. Meine
Leseempfehlung.
zeitgenössische Romane
Krims und Thriller
Historische Romane
Fantasy, Fantastic, SciFi, Utopien Dystopien
Sachbücher (für jedermann)
Kinder- und Jugendliteratur
Bücher, die mir selbst gut gefallen
haben
Sachbücher
Rezension
Und er wird es wieder tun
von Simone Schmollack